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Die schwarzen Brüder in Kölln an der Spree

Informationen

Literaturangabe:

Ziehnert, Widar
Preußens Volkssagen, Mährchen und Legenden, 2 Bde., Leipzig 1839/ 40

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Die schwarzen Brüder in Kölln an der Spree

Die schwarzen Brüder in Kölln an der Spree

In Kölln an der Spree lebten einst vier Brüder, die mit seltener Liebe Leid und Freude, Lust und Schmerz des Lebens miteinander teilten. Niemand war imstande, sie zu veruneinigen, nichts fähig, sie mißtrauisch und einander abgeneigt zu machen. Bei dieser seltenen Erscheinung im Menschenleben konnte der ewige Feind des Friedens nicht gleichgültig bleiben und schwor, diese Brüder miteinander zu verfeinden, und erschien ihnen als ein - schönes, reizendes Mädchen. Als die Brüder sie erblickten, sprach keiner ein Wort zu dem ändern, sondern sie folgten schweigend der Dirne bis vor das Tor, wo sie unerwartet verschwand. Die Brüder reichten sich zum Abschied die Hände und jeder ging, das erste Mal in ihrem Leben, allein seinen Weg; denn jedem gefiel das schöne Mädchen, jeder wünschte sie zu besitzen. So schien es denn dem Teufel gelungen zu sein, die seltene Bruderliebe zu vernichten! Bald nachher erschien er wieder in der liebreizenden Mädchengestalt und bot sich den Brüdern als dienende Magd an. Da sie aber versprochen hatten, selbst einander bis zum Tod zu dienen, schlugen sie das Anerbieten des verführerischen Dienstmädchens ab; und um in Zukunft vor ähnlichen Versuchungen sicher zu sein, beschlossen sie, der reinsten Liebe einen Tempel zu bauen und ihr Leben im Dienst der Kirche zu beschließen. Sie führten ihr frommes Vorhaben aus, und da, wo sonst ihr Haus stand, findet man das Kloster der schwarzen Brüder.

Eine andere Version lautet wie folgt: Zu den ältesten Straßen Berlins gehört die Brüderstraße, welche wahrscheinlich ihren Namen von dem in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gestifteten Kloster der schwarzen Brüder erhielt, das an ihrem Eingang lag und dessen Kirche auf dem Schloßplatz zwischen der Brüder- und Breiten-Straße stand. Dasselbe soll aber von vier Brüdern gestiftet worden sein, und zwar aus folgendem Grunde. Es sollen vor grauen Jahren in Kölln an der Spree vier Brüder gelebt haben, die wegen ihrer treuen Liebe zueinander bekannt waren. Sie wohnten in einem Haus, was einer tat, taten alle; ging einer aus, so begleiteten ihn die ändern drei, ja sie ritten wie einst die vier Haimonskinder zusammen auf einem Pferd. Über diese brüderliche Eintracht ärgerte sich aber der Teufel, er beschloß Uneinigkeit zwischen ihnen zu säen und bediente sich dazu wie fast immer eines Frauenzimmers. Als sie einst zusammen ausgegangen waren, ließ er ihnen ein wunderschönes Mädchen in den Weg kommen, die Brüder wurden plötzlich alle von einer heftigen Leidenschaft für dasselbe entflammt, und als es nahe am Tor auf einmal verschwand, da trennten sich zum ersten Male die Brüder, ohne daß einer dem ändern ein Wort sagte, voneinander, und jeder schlug einen ändern Weg ein, in der Hoffnung, das schöne Mädchen wiederzufinden und für sich zu gewinnen. Da dachte der Teufel, er habe schon gewonnenes Spiel, und schickte die schöne Dirne zum zweiten Mal aus, und zwar gleich in das Haus der vier Brüder, damit sie sich denselben als Magd anbieten sollte, um nun die Brüder, weil natürlich sie jeder besitzen wollte, erst recht zu entzweien. Allein als sie das Zimmer betrat, sah sie die vier Brüder miteinander beten und erhielt von ihnen, nachdem sie ihnen ihre Dienste angeboten, die strenge Antwort, sie solle ihres Weges ziehen, sie würden bis an ihr Lebensende sich selbst bedienen; und damit kein irdischer Reiz jemals wieder zwischen sie treten könne, hätten sie gelobt, ein Kloster zu erbauen und selbst als die ersten Brüder einzutreten. Wie gedacht, so geschehen; auf derselben Stelle, wo ihr Haus stand, erbauten sie das Kloster der sogenannten schwarzen Brüder, welches aber, als Kurfürst Joachim II. 1536 jene aus Brandenburg verwies, in ein Domstift verwandelt wurde, welches erst im Jahre 1747 bei Erbauung der jetzigen Domkirche am Lustgarten abgerissen wurde. Vor langer Zeit sah man noch an einem Haus der Brüderstraße, aux quatre Philemons genannt, ein Bild jener vier Brüder, alle auf einem Pferd sitzend.

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