Hier finden Sie alles rund
um die Literatur Berlins
und Brandenburgs:
Institutionen, Archive,
Bibliotheken, Gedenkstätten,
aber auch heimische Sagen,
Eindrücke klassischer Autoren,
und einen kleinen literatur-
geschichtlichen Überblick.

Die Stiftung der Universität zu Frankfurt an der Oder (1505)

Informationen

Literaturangabe:

Riedel, Adolph Friedrich
Codex diplomaticus Brandenburgensis

zurück

Die Stiftung der Universität zu Frankfurt an der Oder (1505)

Die Stiftung der Universität zu Frankfurt an der Oder (1505)

Da für das ganze Menschengeschlecht zu keiner Zeit jemals etwas Hervorragenderes, Ausgezeichneteres und Nützlicheres ans Licht getreten ist als das Studium der Wissenschaften, denn auf den Wissenschaften beruht die Unsterblichkeit, auf sie stützt sich die ewige Dauer der Erinnerung, durch sie werden die vor vielen Jahrhunderten geschehenen Ereignisse und aller Wissenschaften Kenntnisse erfaßt, der zu Anfang unkundige Geist, des menschlichen Lebens Führer und Leiter, gebildet, so hat es Uns, Joachim, durch des Allerhöchsten Güte des heiligen Römischen Reiches Erzkämmerer und Kurfürsten, Markgrafen von Brandenburg, Herzog von Stettin, Pommern, der Kassuben und Wenden, Burggrafen zu Nürnberg, Fürsten von Rügen, gar häufig wundergenommen, welche Ursachen vorhanden wären, weshalb in Unserem Deutschland nach der Erinnerung Unserer Vorfahren, Unserer Väter und Unser selbst es mehr bewunderungsvolle Männer auf dem Gebiete aller Künste gegeben hat und zurzeit noch gibt als auf dem Gebiete des gerühmten Studiums der Wissenschaften, so daß ein jeder einen weißen Raben zu sehen meint, wenn er jemand erblickt, der in den Wissenschaften sich auszeichnet. Bei der Untersuchung dieser Sache stießen Uns mannigfache Ursachen auf, daß Leute von geringerem Vermögen über die Größe der Kosten klagen, die mit größeren Mitteln Ausgestatteten aber entweder über die Barbarei oder über die Trägheit oder was vorzugsweise zu vermeiden ist, über das Aussetzen der Vorlesungen seitens der Lehrer. Die meisten, wenn Sie über die Alpen gelangt sind und die Universitäten Italiens besuchen, vertragen dort das Klima und die Luft nicht, so daß sie wider ihren Willen mitten in der Zeit heimzukehren gezwungen sind, andere werden selbst auf dem Wege dorthin fortgerafft, bevor sie noch den erwünschten Hafen erreichen konnten.
Von Uns haben nun Kandidaten der Wissenschaften und Professoren unter beständigen Ermahnungen und täglichen Bitten verlangt, daß Wir, damit ferner noch mehr von den Wissenschaften und dem Studium abgeschreckt würden, eine Universität gründeten, damit zu ihr wie zu einem Asyl alle jene scharenweise strömen könnten, die ihren Geist durch Belehrung, ihre Sprache durch Redekunst zu bilden und ihre Gärtchen durch die Quellen der Bildung zu bewässern wünschen.
Wir besitzen nun in Unserer Herrschaft eine besuchte Stadt, Frankfurt an der Oder genannt, den Markt vieler Völker. Sie zeichnet sich aus durch heitere und milde Luft, wird nach Sonnenaufgang von der Oder bespült, einem sehr hellen, sehr fischreichen, für die Schiffahrt, die Ein- und Ausfuhr aller Handelsartikel geeigneten Fluß, liegt am Fuße von Hügeln, die, mit Weinbergen und Fruchtgärten aufs anmutigste bekleidet, sie vom Mittag her umgürten, und die Ärzte, und zwar die durch ihre Tätigkeit und Erfahrung erfahrensten, bestätigen, daß sie der Gesundheit außerordentlich zuträglich sei; von Sonnenuntergang aber und von Norden ist sie von blühenden Wiesen, heilkräftigen Wäldern und fruchtbaren Äckern umgeben. So groß ist der Reichtum und Überfluß an Feldfrüchten, daß Frankfurt der Speicher für die benachbarten Völker ist, so reich die Weinernte, daß dort der Vater Bacchus mit der Ceres einen großen Wettkampf eingehen kann, so groß die Fülle von zahmem Schlachtvieh und Wild, von Geflügel und den besten Fischen, von Holz, Futter, kurz von allen Gegensänden, deren das menschliche Leben nicht gut entbehren kann, daß davon die meisten Städte und Provinzen unterhalten werden können.
Da Wir es also mit Unserer Pflicht und Unserem Amte in keiner Weise vereinigen konnten, die ebenso ehrenhaften wie ausgezeichneten Bitten gebildeter Männer zurückzuweisen, weil es, wie Symmachus fein sagt, das besondere Merkmal eines blühenden Reiches ist, den Lehrern der Wissenschaften reichliche Belohnung zu gewähren, so werden Wir zu Frankfurt an der Oder unter Gottes des Allmächtigen Leitung eine Stätte feinerer Bildung und vielfältiger Kenntnis, einen täglichen Markt des Lernens und Lehrens, eine Universität, wie man es nennt, einrichten und sie, die bereits die päpstliche und kaiserliche Bestätigung erhalten hat, im nächsten Jahre am Sonntage nach dem seligen Markus, dem 26. April, einweihen und feierlich eröffnen.
Wir versprechen außerdem für den Zeitraum von drei Jahren nach Eröffnung der Universität Unentgeltlichkeit der Erlangung der akademischen Grade. Wenn jemand aber auch erst nach Veröffentlichung dieses Briefes sich dahin begibt, so soll er nichtsdestoweniger der grammatischen und rhetorischen Vorlesungen und aller Ausnahmestellungen, Immunitäten, Freiheiten, Privilegien, mit denen Wir Unsere Universität nach dem Vorbilde anderer, und zwar reicher, begabt haben, sich bedienen und erfreuen.

[Bereits Johann Cicero verfolgte den Plan, in Frankfurt (Oder) eine Universität zu gründen. Erst seinem Sohn, Johannes I., gelang es, den päpstlichen und den kaiserlichen Konsens zur Universitätsgründung einzuholen. Erster Rektor wurde der Dominikaner Conrad Wimpina von Buchen. Allerdings standen die frühen Jahrzehnte der Universität unter keinem guten Stern: Die wegen des Ausbrechens der Pest mehrfach notwendig gewordene Verlegung des Lehrbetriebs, die Konkurrenz zur Universität in Wittenberg und die antireformatorische Ausrichtung der Viadrina hatten zur Folge, daß die Universität 1536 nur noch 40 Studenten zählte.]

1

Orte mit Bezug zum Text