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Lehninsche Weissagungen

Informationen

Literaturangabe:

Grässe, Johann Georg Theodor
Sagenbuch des preußischen Staates, Glogau 1868

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Lehninsche Weissagungen

Lehninsche Weissagungen [gekürzt]

Nun will ich dir, Lehnin! Dein künftig Schicksal sagen,
Das mir der Herr der Welt selbst angezeiget hat.
Denn ob du gleich itzund wie eine Sonne glänzest,
Und ein unsträfliches und heiligs Leben führst,
Auch keinen Mangel spürst an Ruh und Wohlergehen;
So kommt doch eine Zeit, die dich wird anders sehen,
Da du kaum was wirst sein, wo nur nicht gar vergehen.
Das Volck, das dich gebaut, hat allzeit dich geliebet.
Mit diesem fühlst du auch, und bist nicht mehr so lieb.
Nun hebt sich bald drauf an die höchstbetrübte Stunde,
Darinn Ottonis Stamm auch gänzlich geht zu Grunde,
Dieweil kein eintziger Sohn von selbem überbleibt.
Da fällst du nun zuerst, jedoch nicht gar zu Boden.
Indessen wird die Marck viel schwere Drangsal leiden,
Denn Otton?s Wohnung nimmt die Brut der Löwen ein,
Da wird der rechte Erb? alsdann verstoßen sein.
Wenn fremde Völcker sich bis nach Corin begeben,
Wird ihren Stolz gar bald der schlaue Kayser heben.
Doch wird ob diesem Schutz die Marck sich wenig freun.
Der königliche Löw? wird wieder abwärts gehen,
Und dieses Land nicht mehr die rechten Herren sehen.
Viel Herrscher machen dann dem Lande große Pein.
Der reiche Adel wird die Bürger unterdrücken,
Und manchen Geistlichen ohn Recht ins Elend schicken.
Es wird gehn, wie es ist zu Christi Zeit gelauffen,
Man wird ohn alle Scheu viel Menschen selbst verkauffen.
Doch daß du liebe Marck nicht ohne Haupt mögst sein,
Wirst durch zwey Burge du zu größern Ehren steigen
Und dich, doch nur zum Schein, zur Ruh und Friede neigen,
Und durch der Wölfe Tod triffst du der Schaafe Hertz,
Diß sag ich: Dieser Stamm wird lang im Flor bekleiden,
Und deines kleinen Staats viel Jahr Beherrscher bleiben,
Bis die erleget sind, die damahls hochgeehrt,
Die Städte wüst gemacht, den Herrn ihr Recht gewehrt
(...)
Ihr Brüder betet nur! vergießt, ihr Mütter, Thränen!
Des Rahmens Deutung treugt von frohem Regiment.
Es ist nicht gutes mehr: eilt alle Bürger fort!
Es ist nun gäntzlich aus, und keine Hoffnung übrig.
Bald knirscht ein Jüngling, da die große Mutter seufzet,
Allein wer kann den Staat, der so verwirrt, verbessern?
Die Fahne greifft er an, doch nur zu seinem Schaden,
Bei kaltem Norden-Wind will der ins Kloster gehen;
Der folget, ahmet nach der Väter schlimmen Sitten,
Den Seinen fehlt die Kraft, dem Volcke Stern und Glück;
Der, dessen Hülff er sucht, hat wider ihn gestritten,
Und kommt durchs Wasser um, da alles er umkehrt.
Der Sohn wird blüh?n, und das, was er nicht hofft, erlangen,
Doch hat ein traurig Volck alsdann bethränte Wangen.
Denn nun kommt, wie es scheint, ein seltnes Glücks-Gesicht;
Das Wachsthum seiner Macht weiß selbst der Fürste nicht.
Zuletzt den Seepter trägt der letzte von dem Stamm.
Israel wagt eine That, die kaum des Todes würdig.
Der Hirt nimmt auf die Schaaf, und Deutschland ihn zum König.
Die Marck vergißt durchaus, was übels vor geschehen;
Sie nährt die Ihrgen selbst, mag keinen Fremden sehn.
Lehnin und Corin wird von neuem aufgebaut:
Es kommt die Clerisey zu ihren alten Ehren,
Auch stellt der Wolf nicht mehr dem edlen Schaaf-Stall nach.

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