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Liebenberg 1813

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Literaturangabe:

Fontane, Theodor
Fünf Schlösser. Altes und Neues aus Mark Brandenburg, Berlin 1889

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Liebenberg 1813

Liebenberg 1813

Der Rückzug aus Rußland

Liebenberg, 5. Januar 13

Daß das französische Hauptquartier in Gumbinnen war, haben die Zeitungen gesagt, und aus der Truppenverlegung ergibt sich, daß die Weichsel behauptet, also Ostpreußen im Falle der Not verlassen werden soll. Ich glaube nicht, daß die Russen etwas vornehmen können; sie haben viel gelitten und mußten eine Gegend durchziehen, die gänzlich verheert ist. Pariser Nachrichten besagen, daß der Kaiser auf die Aushebung von 200 000 Menschen und 60 000 Pferde dringt; außerdem sollen alle Truppen aus Spanien nach dem Norden gezogen werden. Das sieht nicht sonderlich aus. Ich zweifle nicht, daß alles versucht werden wird, um in einer zweiten Campagne den diesmal vereitelten Zweck zu erreichen. Was die nächsten Wochen angeht, so haben weder Schlesien noch die Mark etwas zu befürchten, solange die Weichsel gehalten wird; sollte diese jedoch verlorengehen, so wird es Zeit sein, sich vom Lande in die großen Städte zu begeben, obgleich seit Moskaus Brand auch in großen Städten nicht viel Sicherheit zu gewärtigen ist. Der vernünftigste Mensch kann in der Zukunft nichts Tröstliches erblicken; andererseits haben wir neuerdings Proben von dem, was die Vorsehung tun kann. Laß uns also nicht verzweifeln. Lange kann diese Periode des Elends nicht mehr dauern, denn wenn niemand mehr etwas haben wird, tritt alles ins Naturrecht zurück, und wehe dann denen, die sich nicht schnell davonmachen.


L., 9. Januar 13

Tackmann schreibt mir auch, daß das Macdonaldsche Corps durch Kapitulation in russischer Gewalt sei. Wenn Du etwas Gewisses hörst, so schreib es mir; ich will dann doch auf alle Fälle einige précautions gebrauchen, damit wir von der fliehenden Horde nicht noch vor der Ankunft der Kosaken ausgeplündert werden. Hier kommen viel bettelnde Franzosen und Deutsche durch. Ein Westfälinger, mit einer Hand, bat um ein Stück Brot in Gransee. Der hat dann erzählt, wie´s im Norden zugegangen ist. Die Verwundeten gehen aus den Hospitälern, sobald sie nur irgend kriechen können, weil es, der ungeheuren Masse halber, an jeder Wartung und Verpflegung fehlt. ? Der Herr von Köpernitz ist endlich aus Paris wiedergekommen; er hat den davongereisten Helden im Theater gesehn mit der wie gewöhnlich kalten und dreisten Physiognomie, als ob nichts geschehen wäre. Bewachen aber läßt er sich sorglicher denn je; die Kavallerievedetten, ebenso wie die Infanterieposten, haben alle scharf geladen, so daß seine Wohnung sozusagen im Belagerungszustand ist. Übrigens war die Stimmung in Paris sehr satirisch, und es fehlte nicht an Calembours über die "Reise im Schlitten".


L., 18. Januar 13

Allen Vermutungen nach wird die Errichtung einer neuen Armee jenseits der Elbe stattfinden. Das uns zu Kantonierungen angesagte, teils aus französischen, teils aus neapolitanischen Regimentern zusammengesetzte Greniersche Corps ist wieder abbestellt worden und muß jenseits der Elbe bleiben. Nur eine Brigade, die schon zu nahe heran war, ist in Berlin eingerückt. Auch die transportablen Blessierten und Kranken werden über die Elbe gebracht. Von Generalen und höheren Offizieren zieht noch immer eine gute Zahl ihrer Heimat zu. Was die Polen vorhaben und, vor allem, was der österreichische Hof tun wird, davon wissen wir hier nichts. ? Ein Schweizer sagte mir letzthin, daß die schöne Schweizer Division auf höchstens 600 Mann zusammengeschmolzen sei; er hatte fünf Verwandte, die als Offiziers dabei standen, verloren. Und so steht es mit allen Auxiliartruppen. Unsere beiden Husarenregimenter und das Ulanenregiment, welche mit zur Großen Armee herangezogen waren, bestanden zuletzt nur noch aus 400 Mann. Und in diesem Augenblicke weiß niemand, wo sie sind. Von Österreichs Haltung hängt jetzt alles ab. Kaiser Franz könnte nicht nur den Ausschlag in der Sache geben, es war auch noch keine Periode so günstig, ihm das Verlorene wieder einzubringen. Man ist aber schon gewöhnt, daß die Erfahrung unsre Großen nicht aufmerksam macht.


Berlin, 25.Januar 13

Seit dem 21. bin ich hier, um die Ereignisse abzuwarten. Marschall Davoust hat sich mit allem, was sich in der Eile zusammenraspeln ließ, in Thorn festgesetzt und will es verteidigen. Es heißt, der Verstand sei ihm erfroren. Denn obgleich die Stadt ein paar neue Werke hat, so ist sie doch nach der Stromseite hin offen und wird, wenn die Kutusowsche Armee herankommt, ein trauriges Schicksal haben. Die Durchzüge der fliehenden Überbleibsel der Großen Armee dauern fort. Und Mitleiden muß man mit den aufgeopferten Menschen haben. Neun Kavallerieregimenter kamen letzthin zu Fuß hier an; sie betrugen zusammen sechzig Mann. Von dem Großherzoglich Bergischen Chevauxlegersregiment sind bis dato drei Subalternoffiziers, ein Korporal und sechs Mann hier eingetroffen. Unter den ersteren ist des Chevalier Rex Sohn, der früher bei uns diente. An der Beresina wurde das schon früher mißhandelte Regiment aufgerieben. Er verlor sein Pferd und hat die Promenade hierher mit einem Hemd auf dem Leibe gemacht. ? Allem Anscheine nach werde ich den Frieden nicht erleben, oder die Hand. die neuerlich ein so großes Werk zerstörte, müßte den Ausschlag in der Sache geben.


B., d. 1. Febr. 13

Die Durchzüge der elenden Überbleibsel einerseits und andererseits das Erscheinen des Grenierschen Corps, das nun in und um Berlin kantoniert, macht die Einquartierung äußerst drückend. Der Unwille der Bauern und Bürger steigt und steigt um so mehr, als die Grenierschen ziemlich dummdreist sind. Sie haben eben die russische Luft noch nicht gefühlt.

Vorgestern bat mich Geheimerat Serre zum Tee, wo ich dann die Bekanntschaft des Generals Grouchy machte, der mir viel Gutes von Dir und Deinem Manne sagte. Man sieht gleich an seinem ganzen Benehmen, daß er ein Mann von Erziehung und guter Gesinnung ist; seine Gesundheit hat übrigens sehr gelitten, denn in der Schlacht an der Moskwa hat ihn eine Kartätschenkugel, die ihn auf die Brust traf, vom Pferde geworfen. Sein Notizbuch und eine auf Leinen geklebte Karte, die er beide in der Brusttasche hatte, retteten ihm das Leben. Er hat aber an der Kontusion lange gelitten und Blut ausgeworfen. Jetzt liegt ihm ob, die destruierte Reiterei wieder in Ordnung zu bringen; die Depots sind in Braunschweig und Hannover; er hat aber vorläufig Urlaub nach Paris. Es werden jetzt an aller Welt Enden Pferde für die Franzosen gekauft, aber ungelehrte Reiter und ungelehrte Pferde bilden nicht gleich eine Reiterei. Unsere Ärzte sind außerdem der Meinung, daß alle die, welche durch Kälte und Hunger sehr heruntergekommen sind, nie wieder zu einer festen Gesundheit gelangen können. Was uns angeht, so sind wir auch nicht beneidenswert. Aufgefressen von den Alliierten, geschunden von unseren eigenen Finanzherren, erwarten wir einen vollkommnen Unvermögenszustand. Ohnerachtet des sauberen Tresorscheinedikts standen die Scheine selbst vor acht Tagen zu sechzig Prozent, und vorgestern auf der Börse hatten sie gar keinen Cours. Das Drolligste bei der Sache ist, daß jetzt niemand das Edikt fabriziert haben will. Stägemann und Scharnweber haben öffentlich erklärt, nichts davon gewußt zu haben, ja, letzterer hat sogar eine Vorstellung dagegen nach Breslau gesandt. Von allen Seiten ist protestiert worden, ob es aber helfen wird, steht dahin. Tages nach der Publikation war ein Zettel an der Königlichen Porzellanmanufaktur befindlich mit der deutlichen Inschrift: "Hier kauft man nur für bares Geld". Ebenso hat der Entrepreneur der Posten erklärt, "daß er nur auf bares Geld kontrahiert habe und den Kontrakt nicht erfüllen könne, wenn ihm Tresorscheine gegeben würden". ? Der Elend- und Ekelzustand der armen Soldaten, die aus Rußland zurückkommen, spottet jeder Beschreibung. Von Ungeziefer sprechen gibt kaum eine Andeutung. Selbst hohe Offiziere machen keine Ausnahme, und die Waschweiber weigern sich, für sie zu waschen. Die wenigen, die noch Mittel haben, kleiden sich hier ein. Sonst schleppen sie ihre Lumpen bis nach Frankreich hinein. ? Von Kotzebue läuft hier unter der Hand eine Beschreibung des Einmarsches und Rückzuges der unüberwindlichen Armee herum, deren ich noch nicht habe habhaft werden können. Sie soll nett geschrieben, aber auch mit tüchtigen Hieben auf manche Windbeuteleien ausgestattet sein. ? Vor zwei Tagen hab ich Fritzchen, den zweiten Sohn des Feldmarschalls Grafen Kalckreuth, kennenlernen. Was ist das für ein Schwätzer! Er fängt jede seiner Erzählungen immer mit Lachen an.


Berlin, den 8. Febr. 13

Die Russen müssen entweder nicht stark genug sein, um rasch vorwärts zu gehen, oder sie sind, vielleicht im Hinblick auf Polen, um ihre Rückzugslinie besorgt. Sonst hätten sie längst und ohne große Hindernisse bis hierher kommen können. Es existiert an widerstandsfähigen Truppen nichts als das Greniersche Corps, und dieses ist auf dem Papiere stärker als auf dem Felde. Hätten die Russen Nachricht davon gehabt, so würden ein paar Pulk Kosaken ausgereicht haben, eine Menge hohe und niedere Offiziere wegzufangen. Obgleich alles, was die Franzosen tun, sehr geheimgehalten wird, so geben doch allerhand Maßregeln zu erkennen, daß sie diese Stadt zu verlassen sich bereit machen. Ein Jammer ist es, die Kranken aus Stettin und Küstrin hier ankommen zu sehen. Viele werden schon tot aus dem Wagen genommen, und in den Lazaretten sterben sie massenhaft. Ob es wahr ist, was Soldaten hier ihren Wirten erzählen, "daß bei Sprengung des Kremls und der Mauer von Smolensk die an diesen Orten befindlichen Lazarette mit in die Luft gesprengt wurden", laß ich dahingestellt sein. Es wäre das der zweite Teil zur Expedition von Jaffa. Unsere Ärzte sind einstimmig der Meinung, daß alle diejenigen, die selbst noch mit einem Anscheine von Gesundheit hier ankommen, im Frühjahr erkranken und sterben werden. ? Wenn Königsberger Zeitungen nach Breslau kommen sollten, so suche sie zu lesen; es sind darin allerlei Kuriosa. Besonders die Erklärung des General Yorck. Das wird eine zweite Schilliade, nur von weiterem Umfange. Im Tatsächlichen mag Yorck recht haben, aber in den Formen fehlte er doch gewaltig. ? Baron von Stein, dem die Ziviladministration in Ostpreußen übertragen ist, wohnt bei Nicolovius und verfährt, seiner Gewohnheit gemäß, ganz rasch. ? Lies doch auch den "Moniteur", der jetzt alle Unfälle der Franzosen auf General Yorck schiebt, obgleich er hundert Meilen von dem Orte war, wo die letzten Szenen des Trauerspiels vorfielen.

Die Erhebung Preußens

B., 12. Februar 1813

Seit meinem Letzten erschien hier die Aufforderung zu Errichtung der Freiwilligen. Ein Schwindel ist sofort in die Köpfe aller jungen Leute gefahren. Alles stellt sich, alles will mit. Ich weiß nicht, was ich von der Sache denken soll. Mir gefällt sie nicht. Solange man nicht ausspricht, gegen wen es gemeint ist, bleibt es etwas Mißliches, und alle diese jungen Leute, wenn es nicht gegen den geht, dem sie gern eins anhaben möchten, werden Sottisen begehen. ? Von Breslau wird geschrieben, daß General Scharnhorst wieder in Dienst getreten sei. Was das bedeutet, löst sich von selbst. Du wirst am besten wissen, was hiervon wahr oder nicht. Überhaupt arbeitet jetzt alles unter der Hand, welchem Unwesen ich nicht Beifall geben kann. ? Die Franzosen trauen uns in keinerlei Art, können auch nicht, denn Bürger und Bauern geben ihnen ihren Widerwillen deutlich genug zu verstehen, was ich beiläufig nicht klug gehandelt finde. Denn gerade wir, wir haben am meisten zu fürchten, wenn der Allgewaltige mit einer neuen Heeresmacht heranzieht. ?

Im Münsterschen und Bergischen hat die enorme Konskription Unruhen veranlaßt. Ebenso ist in Bayern Uneinigkeit zwischen Vater und Sohn wegen neugeforderter Truppenaushebungen. Allerwärts scheint Zunder zu glimmen. ? Unter so vielen düstern Aussichten erscheint manchmal ein lustiger Einfall, ein gutes französisches Wortspiel. Der Gewaltige schilt seinen Gärtner zu St. Cloud darüber, daß die Treibhäuser in schlechtem Zustande seien. Der entschuldigt sich, "parce qu´on l´a laisse manquer de tout". Das Ende seiner Entschuldigung aber ist: "Voilà pourquoi les lauriers sont flétris et les grenadiers gelés."


B., den 21. Februar 1813

Die Geschichte von der Uneinigkeit der hiesigen Bürger mit dem französischen Militär ? veranlaßt durch einige aufgegriffene Krümper, die nach Kolberg gehen sollten und bei dieser Gelegenheit ein französisches Wachkommando insultierten ? hätte schlimmer werden können, wenn nicht die Polizei und Bürgergarde das Rechte getan und die Rädelsführer arretiert hätten.

Die königliche Familie, die noch hier ist, hat es sehr übelgenommen, daß man französischerseits gewillt gewesen ist, das Schloß zu einer Art von Defensionsburg zu machen. Der Minister von der Goltz hat dem Gouverneur einen derben Protest überreichen müssen. Sodann verlautet, daß auch der Magistrat dem französischen Gouverneur im Namen der Bürgerschaft erklärt habe, "da die Residenz kein Kriegsplatz wäre, so könnte auch kein Artilleriefeuer in den Straßen der Stadt geduldet werden. Der erste Kanonenschuß, der einen Bürger oder sein Eigentum beschädige, würde das Signal zur Sturmglocke sein und könne von dem Augenblick an der Magistrat für die Folgen nicht einstehen." ?

Übrigens hab ich den Schreck bewundert, den die tollkühnen Kosaken den jungen, unerfahrenen französischen Soldaten einjagten, obgleich jene wenig gefährlich sind. Ein junger Graf Schwerin, der unvorsichtig genug gewesen ist, gestern vor dem Tore zu reiten, ist in das Scharmützel hineingeraten und von einer Kugel schwer verwundet nach Hause gebracht worden. Ein paar Bürgersleute sind auch blessiert.


Lb., 22., morgens

Ich wollte, wir wären in Ruhe, deren wir so sehr bedürfen. Um Dir einen Begriff von dem Umfange der Aushebungen zu machen, so sag ich Dir nur, daß mir der Kutscher und drei Hofknechte samt einem Taglöhnersohn genommen sind. Wenn das aus einer Wirtschaft geschieht, so kannst Du Dir denken, wie´s im Ganzen geht.


B., d. 4. März 13

Heut ist uns endlich das Heil widerfahren, daß die Franzosen des morgens vier Uhr die Stadt verlassen haben. Seit meinem vorigen Briefe machten sie zu belachende Anstalten, um die Stadt zu verteidigen, in der Tat aber sah man, daß sie von Furcht erfüllt waren. Nur zwei Tore: das Brandenburger und das Oranienburger Tor, waren offen gelassen, die anderen hatte man inwendig bis zu zehn Fuß hoch mit Erde beschüttet, damit sie nicht geschwind frei gemacht werden könnten. Am Potsdamer und Brandenburger Tor waren die nächsten Häuser mit vierzig und fünfzig Mann belegt; Graf Reuß hatte deren sogar 100 und den General Grenier dazu. Dieser (Grenier) hatte nicht, wie gewöhnlich, zum Abmarsch trommeln lassen, und die mündliche Bestellung mußte wohl schlecht besorgt worden sein, kurzum, einige achtzig französische Soldaten, die einquartiert gewesen waren und erst durch den Lärm vom Abmarsch ihrer Landsleute erfuhren, wurden noch in der Stadt überrascht und gefangengenommen. Um elf Uhr waren gewiß 2000 Kosaken und ein Regiment Dragoner in der Stadt. Wollte nur Gott, daß alles dies uns endlich zu einem festen und ruhigen Zustand hinüberführte. Der Kommandant von Spandau, ein Holländer, Graf Hogendorp, hat es wie der Glogauer gemacht und alles Vieh von den benachbarten Ortschaften eintreiben, heut auch die Gewehrmanufaktur auf dem Plan und die Vorstadt von Spandau abbrennen lassen. Der Mensch verdient dafür einer harten Strafe zu begegnen, denn das elende Nest Spandau kann sich, wenn es ordentlich angegriffen wird, nicht halten, und doch tut er einen so großen Schaden. ? Einige französische Legationssekretäre, die die Kosaken hinter Potsdam aufgefangen haben, sind von diesen über Oranienburg und Liebenwalde weiter rückwärts transportiert worden. Überhaupt sind die Kosaken wahre Spürhunde und wahrlich nicht solche verächtlichen Feinde, wie die französischen Bulletins sie beschreiben. Sie haben hier keinen Augenblick gezaudert, mit der Infanterie sich herumzuschießen, und wenn sie gar eine Aussicht auf Beute haben, so sind sie tollkühn.

Die armen Sachsen beklag ich von Herzen; sie sind das Opfer der französischen Gesinnung ihres Ministeriums und werden jetzt feindlich behandelt werden, wozu die Proklamation ihres fliehenden Königs nur noch mehr beitragen wird. Wahrscheinlich sind russische Abteilungen schon bis gegen Dresden vorgerückt, und gestern wurde versichert daß sie in Luckau 100 000 Taler Kontribution eingefordert hätten. ? Auch gegen die Bayern äußern sich die Russen sehr feindlich. ? In Amsterdam haben, wie ich höre, sehr beunruhigende Szenen stattgefunden. Auch hier würd es nicht an Volksgewalttätigkeiten gefehlt haben, wenn die 4000 Mann starke Bürgerwache nicht sorgfältig ihren Dienst beobachtet hätte. Nur in einzelnen Handlungen, und namentlich bei der Kosakade vom 19. Februar, trat die feindselige Volksstimmung unverhohlen hervor. ? Von Geheimrat Fockes Söhnen ist der älteste (der schon Assessor war) und der dritte mit in den Krieg, Überhaupt aber sind von hier 6000 Freiwillige teils nach Breslau, teils nach Kolberg abgegangen, von denen gewiß zwei Drittel durch Beiträge ausgerüstet worden sind. Bei dem guten Willen, den jeder bezeigt, ist es zu bewundern, wie das Kokardenedikt so mit dem Knüppel unter die Leute werfen kann. Ein solch grobes Benehmen verdirbt all das Gute wieder, was zu erwarten war. Ich mag wohl zu alt und zu kalt sein, um alles aus dem rechten oder wenigstens aus einem wünschenswerten Gesichtspunkte betrachten zu können, allein wenn der Enthusiasmus in Grobheit ausartet, ist für mich der Beweis da, daß er die Vernunft über den Haufen wirft.


Berlin, d. 11. März 13

Sie sind also abgefahren, und Gott gebe, daß sie nie wiederkommen. In die Zukunft kann man nicht sehen, aber der Anschein sagt, daß die Franzosen, wenn wir ihnen nur scharf auf die Haut gehen, unterliegen werden.

General Yorck mit dem preußischen Corps wird hier nächstens erwartet, ebenso das Corps, welches General Bülow in Pommern kommandierte. Die Armee wird sehr ansehnlich werden, wovon sie aber leben soll, weiß ich nicht recht, da die Scheunen leer sind. Wenn wir nur direkt auf Dresden gingen, um den sächsischen "Ölgötzen" vom Rheinbund abzuzwingen. Das erscheint mir als das Notwendigste. Graf Tauentzien wird Gouverneur von Pommern. Obrist von Knesebeck, der zum Generaladjutanten ernannt werden soll, besucht vorab die Kaiser Alexander und Franz.


L., d. 12. [März] 13

Das Wittgensteinsche Corps ist hier 10 000 Mann stark eingerückt, die Kosaken und Baschkirn nicht mitgerechnet. Infanterie und Kavallerie sind schön, nur ist das Grün der Uniformen sehr verbleicht. Die Pferde alle in gutem Stande, die Artillerie vortrefflich. Aber komplett sind die Regimenter nicht. Essen und Trinken schmeckt ihnen. Bis heute habe ich noch kein Belagerungsgeschütz gesehen; das muß aber doch dasein, wenn man Festungen einnehmen will. An den sächsischen König soll eine Einladung abgegangen sein, sich wieder nach Dresden zu begeben und den Rheinbund zu verlassen, widrigenfalls sein Land feindlich behandelt werden würde. Mich soll´s wundern, ob er auch jetzt noch der Stimme seiner Minister und Generale mehr Gehör geben wird als der seines Volkes, das durchaus gegen die Franzosen ist. Sein General Thielemann hat alles, was noch von Truppen vorhanden war, in der Niederlausitz zusammengezogen; er ist bekanntermaßen ein gewaltiger Franzosenfreund. Unter den Generalen, die Graf Wittgenstein mitgebracht hat, ist auch Herr von Dörnberg, der seinerzeit (1809) die verfehlte Revolution in Kassel anordnete. Möchte er doch jetzt in Kassel als Sieger einziehen können. Seine Westfälische Majestät sollen schon alles, was einigen Wert hat, haben einpacken lassen, sich also auf alle Fälle bereithalten. Darauf kann er rechnen, daß, wenn die Russen bis ins Hessische kommen sollten, all seine Truppen übergehen werden, denn sie desertieren hier schon häufig und helfen jetzt unsere Freicorps bilden.


B., den 15. März 1813

Übermorgen, den 17., soll unser Yorcksches Corps hier ankommen. Auch das pommersche, unter General Bülow, ist schon über die Oder, um sich jenem anzuschließen. Warum das mobile schlesische Corps nicht schon längst in Dresden ist, begreife ich nicht; dem großen, allgemeinen Feinde wird dadurch nur Zeit gegeben, wieder auf die Beine zu kommen, und den politischen Unterhandlungen trau ich nicht recht. In Küstrin haben die Russen glühende Kugeln nach den Magazinen geschossen; ob mit Erfolg, wissen wir nicht. Die Bekanntschaft des Herrn von Dörnberg, jetzt General in englischen Diensten, habe ich hier gemacht; ein einnehmender Mann, der zwar nur als Volontär die Campagne mitmacht, aber gewiß eine Rolle zu spielen bestimmt ist.


B., den 17. März 1813

Heute zog der erste Teil des Yorckschen Corps hier ein. Sehr schöne Truppen: zwei Husaren-, vier Dragoner-, sechs Infanterieregimenter, einige Fußjäger und acht Batterien (halb reitende, halb Fußartillerie), alles in sehr gutem Stande. In einigen Tagen soll der Rest und, wie es heißt, auch das Bülowsche Corps einrücken. Beide Corps sollen dann dem Grafen Wittgenstein als einem Oberbefehlshaber unterstellt werden. ? General Rapp, der jetzt wieder in Danzig kommandiert, macht öfters Ausfälle, die ihm Menschen kosten. In der Stadt liegen außer den Franzosen und Rheinländern auch zwei polnische Regimenter, die durchaus haben desertieren wollen. Eines Tages ist in der Stadt ein anhaltendes Schießen gewesen, da haben die Polen und Franzosen aufeinander gefeuert. Der Zustand ist also noch schlimmer als in Glogau. Die Sterblichkeit in Danzig ist fürchterlich, weil das daselbst zurückgelassene große Lazarett 12 000 Mann, einige behaupten 18 000 Mann, Verwundete und Kranke enthielt, zu deren Wartung es an allem fehlte. Diese armen Menschen sterben wie die Fliegen, und ihr Fieber rafft auch eine Menge Bürger mit fort. Es sollen Wochen vorkommen, in welchen 120 und mehr Bürger begraben werden.


Berlin, den 25. März 13

Der König zeigte sich an dem Tage, wo Große Parade war, sehr freundlich. Die Truppenlinie fing an der Hundebrücke an und zog sich zum Brandenburger Tore hinaus bis an den Statuenzirkel. Der König und der Kronprinz sahen sehr wohl aus. Der Prinz von Oranien war im Gefolge des Königs, und zwar in österreichischer Generalsuniform. Zufällig sah ich die Parade, ohne es gesucht zu haben, denn ich besuchte Fockes am Brandenburger Tor, unter dessen Fenster alles vorbeizog. Wenn General Blücher mit unserer Avantgarde im Marsch geblieben ist, so muß er in kurzem vor Dresden sein. Das einzige Gute, was die sächsischen Generale tun, ist, daß sie keinen Franzosen in ihre Festungen einlassen. ? Du meinst von G.... daß er nur nicht unter die "Tugendhaften" gehen solle, ich werde aber bald glauben, daß die Tugendbündler viel wert sind, weil sie wirklich die Sache vorwärtsbringen. Ihre Zirkel enthalten viel schlechte Personnagen, unter diesen werden aber manche gebraucht, um in die Ferne zu lauern, und von dem eigentlich Politischen erfahren sie nichts.

General Dörnberg fängt seine Operationen nach dem Hannöverschen hin an. Er hat russische Husaren, zwei Pulk Kosaken und, wie es heißt, ein preußisches Dragonerregiment samt einigem Fußvolk als eigentlichen Fonds zu einem Freicorps bei sich. Zu diesem Fonds hofft er Zulauf zu bekommen. Und ich glaub es. Denn überall ist man der Franzosen so satt, daß ein jeder Lust hat, draufzuschlagen. Sein in England stehendes Regiment schwarzer Husaren wollen die Engländer zu ihm bringen. Ich wollte, es wäre schon da, denn hauptsächlich Kavallerie muß die Franzosen ermüden, da es ihnen daran fehlt.

Berlin, den 26. März

Es ist nun resolviert, daß das Corps des Generals Borstell mit Dörnberg über die Elbe geht. Wie mir soeben geschrieben wird, ist alles bereits in Bewegung. Das Regiment Königin-Dragoner machte den Vortrab und ist am 21. schon durch Zehdenick auf Ruppin gezogen. Es wird daher das Dörnberg-Borstellsche Corps vielleicht 10 000 Mann stark sein. Wenn ich aufrichtig sein soll, so mißfällt mir der ganze, sich mehr und mehr entwickelnde Plan. Man zerstreut sich in kleine Corps, um den Aufstand zu befördern, während man, meiner Meinung nach, mit aller Stärke gerad auf Erfurt losgehen müßte, um die sich dort sammelnden Franzosen zu schlagen. Dann käm all das andre von selbst. Wenn man erwägt, daß Danzig, Küstrin, Glogau, Stettin, Thorn, Magdeburg und selbst Spandau Observationscorps erfordern, so leuchtet ein, daß die Feldarmee nicht stark sein kann, wenn sie noch viele Neben-Detachements aussendet. ? Wir erwarten täglich das Landwehredikt, das von dem in Ostpreußen verschieden sein soll. Das erste Glied mit Piken, die zwei andern mit Gewehren, was etwa 38 000 Piken und Gewehre erfordern würde, wovon wir nicht den hundertsten Teil haben. Wahrlich, wenn nicht eine Hoffnung auf die Fügungen der Vorsehung bliebe, man müßte vor Mißmut untergehen. Ich bringe mich persönlich bei diesem allem nicht mit in Anschlag; meine Jahre führen mich dem Ziele näher, wohin wir alle müssen. Allein wenn ich an andere denke, dann hab ich einen herzlichen Kummer, den ich mit mir herumtrage und der mich gesellschaftsscheu macht. Denn da hört man so viel überspannte Äußerungen, daß man sich ärgern muß.


Berlin, 3. April 13

Das Bülowsche Corps ist nun auch hier durch und zur Armee gegangen. Es war sehr gut im Stande. Darunter auch drei Eskadrons der schwarzen Husaren, die neuerdings erst wieder beritten gemacht worden sind. Sie hatten nämlich die Ehre gehabt, unter Napoleons Anführung so ruiniert zu werden, daß nur zweiundzwanzig Pferde übrigblieben. Die 4. Eskadron wird noch in Preußen komplettiert.

Ich wollte, daß das Kutusowsche Corps auch schon in Sachsen wäre; denn in dem Augenblicke, wo der große Würger bei seiner Armee ankömmt, wird er gewiß auch gleich losschlagen. Meiner Berechnung nach stehen mit General Blücher höchstens 50 000 Preußen und Russen in Sachsen. Das ist viel zu wenig. ? In Danzig herrscht die schrecklichste Teuerung; Pferdefleisch kostet das Pfund einen Taler; ebenso Butter. General Rapp treibt die kleinen Bürger heraus, und die Russen treiben sie wieder herein. Welch ein Zustand für die armen Leute! Der Spandauer Kommandant will auch zuweilen Ausfälle machen; sie mißraten ihm aber, weil die Deutschen der Garnison überlaufen. Vor zwei Tagen hatte er eine Plünderpartie nach Pichelsdorf gesandt, die jedoch von den Pichelsdorfern, mit Hilfe einiger Kosaken, tüchtig zusammengeknüppelt wurde. Man erzählt sich, Herr Staegemann würde in des Staatskanzlers Bureau kommen, Herr Beguelin aber die Bank- und Seehandlungsdirektion übernehmen. Woher der alle Weisheit nimmt, weiß ich nicht. Noch ist er in Amsterdam, wohin er wohl gegangen sein mag, um dem Pariser Ungewitter auszuweichen. ? Der "Moniteur" spottet unserer schon; es wird aber schließlich auf Worte nicht ankommen. Gebe Gott nur, daß wir die ersten Schläge recht hart austeilen, dann wird sich das andere von selber finden. An gutem Willen fehlt es nicht, aber auf seiten der Gegner wird sehr wahrscheinlich wieder die Übermacht sein, weil er aus Spanien eine große Truppenabteilung herbeigeholt hat.

Nun wird mit Bildung der Landwehr vorgegangen, was viel Schwierigkeiten hat. Es fehlt an Arbeitskräften, und wenn die Landwehr davon noch mehr fortnimmt, so werden bald auch die Handwerke stillestehn, die für die Armee arbeiten. ? Das "Russisch-Deutsche Volksblatt", das von Kotzebue hier herausgibt, kann ich Dir als eine possierliche Diatribe empfehlen. Mit dem französischen Kaiser macht er es etwas arg.


Liebenberg, 17. April 1813

Mit Formation unsrer Landwehr geht es rasch vorwärts, und um sie zustande zu bringen, werden wir methodisch ausgesaugt. Da hat es der freiwilligen Beiträge kein Ende. Und komisch genug, daß die schlimmsten Bankruttierer dabei immer das große Maul haben und Beiträge unterschreiben, während sie zwei- und dreijährige Zinsen schuldig sind.

Ich werde es täglich mehr gewahr, daß unsere neue Finanzeinrichtung infolge der Zerstückelung und Zwischenstationen nichts taugt. Die Regierungen sind bange vor den regierenden Geheimen Staatsräten und diese wiederum vor dem nicht antwortenden Staatskanzler samt Umgebung. Und so herrscht eine innere Konfusion, die man früher nicht kannte. ? Zu den vorgekommenen Possierlichkeiten gehört auch die, daß der Kammerherr von Podewils, der die jüngste Tochter des Kammerherrn von Reck zur Frau hat, zu den Gardekosaken gegangen ist. Er hat sich einen tüchtigen Bauch angeschafft und nichts von einem Kosaken an sich. Sobald aber das Czernischewsche Corps vor Berlin kam, ritt er zum Tore hinaus und zog mit den Kosaken herum, um sich auf dem Zug nach Oranienburg und Kremmen das Kosakische einzustudieren. Dann kam er zurück, kleidete sich ein und ist nun bei den Gardekosaken. Überhaupt, eine gute Zahl Männer ist zur Armee abgegangen, die, meines Dafürhaltens, eher zur Last als zum Nutzen sein werden.


L., 27.April 1813

Daß die jetzt nachrückenden russischen Truppen schmutzig und abgerissen aussehen, ist kein Wunder. Sie haben ja beinah in neun Monaten nicht den Rock vom Leibe gehabt. ? Wenn ich nur unsre Festungen in unsern Händen wüßte. Vor allen Dingen aber müßten wir Wittenberg haben, welches der darin kommandierende französische General total ruiniert. Überhaupt hausen die Franzosen, wo sie hinkommen, wie die Schinder. Unter andren zeichnet sich der General Vandamme, den Du ja kennst, als ein vorzüglicher Bösewicht aus. Er wird aber, denk ich, auch seinen Lohn bekommen, denn das Corps an der Niederelbe verstärkt sich täglich und wird ihn wohl aus Bremen herausjagen. ? Die Schweden stehen, wie es allgemein heißt, in englischem Sold. ? Der Vizekönig Stein tut alles Mögliche, um die Sachsen in Gang zu bringen, und der davongelaufene Ölgötze riskiert alles, wenn die Alliierten Glück haben. Von seiner Armee existieren vielleicht nur noch 8000 Mann, wovon 5000 in Torgau (unter Thielemann) die Neutralität ergriffen haben; die anderen sind in französischen Händen. ? Wahrscheinlich wird in kurzem etwas Wichtiges vorfallen, denn Ney, der jetzige Liebling Napoleons, hat mit allem, was er zusammenzubringen imstande war, eine Bewegung gegen die Alliierten vorwärts gemacht. Vielleicht auch nur in der Absicht, sich die Kosaken vom Halse zu schaffen, die bis Eisenach gestreift haben.


L., den 7. Mai 1813

Gestern bekam ich das in Berlin angeheftete Extrablatt über die am 2. vorgefallene fürchterliche Bataille bei Lützen, also auf demselben Terrain, wo Gustav Adolf den Wallenstein schlug. Da das Blatt sagt, "daß die Nacht die Schlacht unentschieden gelassen habe", so bin ich über die Folgen nicht ohne Sorge. Privatnachrichten meldeten, daß der Prinzessin Wilhelm Bruder geblieben und General Blücher leicht verwundet sei.

Zur Landwehreinstellung hier hab ich zwar alle pro forma losen lassen, dann aber ist eine Auswahl gemacht und die sind genommen worden, die am entbehrlichsten waren. Aus Liebenberg sieben, die ich alle ausgerüstet habe, einen als Kavalleristen und sechs als Fußgänger. Mit dem Landsturm sieht es konfuser aus, weit alles mit soll, was noch kriechen kann; Piken werden geschmiedet, und alles muß marschieren und schwenken lernen. Am allermeisten ärgern mich die unberufenen Aufforderer "zu allerlei Gaben", nicht zu vergessen die Damenvereine. Wenn man dieser Menschen Aufforderungen liest, so sollte man glauben, es sei noch nichts geschehen, und wahrlich ein jeder hat gegeben und viel gegeben. Besonders wir Landleute und kleinen Städte, die die Magazine stets füllen mußten und doch zu allen anderen Beiträgen mit herangezogen worden sind. Und was alles vorgeschlagen wird! Ein Narr will zum Landsturm von zehn zu zehn Schritt eine kleine eiserne Kanone haben, wo aber Artilleristen und Munition herkommen sollen, das sagt er nicht. Ein anderer will alles Kirchensilber in die Münze liefern, ein dritter dagegen schlägt "silberne Kelche" als Prämien für die Taten des Landsturms vor. Flugs ist ein vierter Narr da und sagt, "nein, nicht silberne, sondern eiserne Kelche". Aber auch er ist noch nicht der letzte, denn ein fünfter hat sogar sammetgestickte Kanzel- und Altardecken in Vorschlag gebracht. Wahrlich, die mehrsten solcher Kleinigkeitskrämer gehörten ins Tollhaus. Alles soll einen religiösen Zweck haben, im Grunde aber liegt ein mir ekelhafter Servilismus und Fanatismus im Hinterhalte, dessen mehrere Geistliche sich anjetzo bedienen, um die Hände mit im Spiel zu haben. Unter diesen ist der Herr Propst Hanstein nicht der letzte. Einige Prediger haben den Auftrag, "die Landwehr beim Ausmarsch durch eine Anrede zu ermuntern", so weit getrieben, daß sie den Landwehrmännern das Abendmahl gereicht haben. Die Landwehr unseres Kreises ist mit einigen Compagnien des Havellandes nach Spandau eingezogen worden, um diese Festung, die vor kurzem kapitulierte, zu reinigen und ihr als Garnison zu dienen. Kaum aber ist sie zwei Tage dort gewesen, als sie nach Burg aufbrechen mußte, was vermuten läßt, daß von der französischen Garnison zu Magdeburg allerlei zu befürchten sei. Wollte Gott, daß der allgemeine Menschenschinder bald seinen Untergang fände!


L., den 18. Mai 13

Am 12. dieses ging ich nach Berlin. Ich fand daselbst solche Bestürzung und so eine Furcht, als ob schon die ganze feindliche Armee vor den Toren stünde. Der Justizminister, mehrere Geheime Staatsräte und die vornehmsten Banquiers waren abgereist. Die Prinzessinnen von Oranien und Hessen brachen in der Nacht nach Stargard auf; die Prinzessin Wilhelm hatte packen lassen und wollte folgen. Geheimrat Rosenstiel, der drei Söhne bei der Armee hat, hat einen durch Gefangenschaft verloren, die beiden andern sind verwundet. Reck, Dönhoff, die beiden Reuß sind wohl; Oberpräsident von Gerlachs Sohn ist verwundet, Fockes beide Söhne sind gesund. Zu verwundern ist es, daß die mehrsten Verwundungen nur leicht sind. Es hieß, daß Oberstlieutenant von Tippelskirch schwer blessiert sei und so sämtliche Stabsoffiziere der Garden. Anton von Stolbergs Pferd wurde erschossen, er stürzte und zwei andre Pferde über ihn, so daß er durch Quetschung sehr gelitten hat. Aber nicht gefährlich. Am meisten hat das Regiment der brandenburgischen Kürassiere verloren, welches beim Einhauen auf ein Viereck zwei Drittel seiner Mannschaft liegen ließ.


L., den 2 1. Mal 1813

Viel gewonnen ist dadurch, daß die Alliierten ihre Position behaupten und unterdessen Verstärkungen erhalten haben. Der französische Kaiser, um in Übermacht zu bleiben, läßt den Marschall Davoust von der Niederelbe nach Sachsen kommen. Sein Corps soll 10?12 000 Mann stark sein. Dadurch werden die Hanseaten frei, Schweden sind genug im Mecklenburgischen. Gehen die endlich über die Elbe, so wird der saubere Vandamme über die Weser zurück müssen, oder er bekommt Schläge. ? Mit unseren Belagerungen geht es traurig, weil es an allem fehlt. Stettin ist eng eingeschlossen, aber weiter nichts. Küstrin wird beschossen; dieser Ort ist aber gerade der festeste. Hart ist es, seine eigenen Festungen ruinieren zu müssen, nachdem man sie dem Feinde zuliebe verproviantiert hatte. ? Unsere Hoheiten sind nun gottlob alle aus Berlin fort. Sie waren eigentlich nachteilig und unbequem, brauchten eine enorme Menge Pferde, und sowie sie einpacken ließen, glaubt das Publikum, nun sei alles verloren.


L., den 5. Juni 1813

Ich werde ruhig hierbleiben, denn ich habe das feste Zutrauen, daß die Lage der Dinge bald besser werden wird. Schon ist es was, daß das Durchbrechungsprojekt des französischen Kaisers nicht geglückt ist. Seine Lage ist nicht angenehm, er findet Widerstand von Schritt zu Schritt, hat wenigstens schon 50 000 Mann verloren und wird in seinem Rücken beständig beunruhigt. Dabei leidet er Mangel, und in Dresden selbst herrscht Not. Die Bewegungen der Schweden können nichts anders als ein Vorgehen gegen ganz Niedersachsen und besonders gegen die Weser beabsichtigen, und dann muß sich die feindliche Hauptarmee schwächen, um dort zu helfen. Wenn nicht die verächtliche Haltung des sächsischen Hofes und die nun glücklicherweise beseitigte Jalousie der Dänen die Projekte des Feindes befördert hätten, so wäre dieser so weit nie gekommen. ? Unsere Landwehren bilden sich in der ganzen Gegend, sie fangen an, eine militärische Konsistenz zu bekommen, und werden in kurzem keinem regulären Corps weichen. Der Landsturm dagegen ist meiner Meinung nach ein Unding. Indessen wird auch daran gearbeitet. Alles in allem, es steht nicht schlecht. Sollte nichtsdestoweniger das Unglück über uns hereinbrechen, so geh ich, nachdem es die Umstände erlauben, nach Stargard oder der Insel Rügen. Ich bleib aber nochmals bei meiner Meinung, daß die Sachen besser stehen, als manche fürchten, und schon ist es ein vieles, daß das Poniatowskische Armeecorps in Polen entwaffnet ist. Spanien wird wohl bald ganz frei sein, denn da geht es rasch vorwärts, und binnen kurzem wird Frankreich seine Südgrenze zu schützen haben. Jetzt ist die große Krisis. Hilft uns Österreich, so ist Deutschland frei.
L., den 22. Juni 13

Die momentane Gefahr, in der wir schwebten, wurde durch den über das Oudinotsche Corps vom General von Bülow erfochtenen Sieg bei Luckau beseitigt, und ich kann ruhig hierbleiben. An unsern Zustand mag ich nicht denken, und ich schwanke beständig hin und her, ob ich Mut fassen oder ihn verlieren soll. Wenn die, welche auf dem Papiere beständig stärker sind als im Felde, es ernstlich meinen und es auch zeigen wollten, so müßte die wieder mal in einer langen Spitze vorgeschobene Stellung des Feindes einen verderblichen Rückzug Napoleons zur Folge haben. Die traurigen Ölgötzen in D. und K. sind der menschlichen Existenz eigentlich unwürdig. Auf ihre Dummheit gründen sich die Vorteile des Feindes, und wenn ein Dritter (Österreich) sich zu ihnen gesellt, so ist alles verloren. Gesellt er sich aber zu uns, so werden sich die stolzen Wellen von selbst legen. Was Kotzebue und andere über den hohen Kranken in Dresden erzählen, wird auch Euch wohl bekannt geworden sein. Alles, was wir teils mündlich, teils schriftlich erfahren, läuft darauf hinaus, daß der Kranke der sei, für den man ihn hält. Über die Veranlassung und Umstände der Krankheit wird gewiß viel gelogen. So heißt es unter anderm, daß General Maison, den er nach der verlorenen Affaire bei Hainau tätlich beschimpft, ihn in der Wut gefährlich verwundet habe. ? Vermutlich werden die Regimenter aus der Landwehr rekrutiert werden, welche nun schon eingeübt ist und wenigstens, was die unseres Kreises betrifft, dem Feinde unter die Augen treten kann. Auch der Landsturm exerziert zweimal in der Woche, doch erwart ich nach wie vor nicht viel von ihm. Von der Landwehr aber das Beste.


L., den 3. Juli 13

Die Not und das Elend in Sachsen ist uns bekannt, und wenn man bedenkt, daß all dies anders sein könnte, was soll man da von dem Ölgötzen sagen, der sich und sein Land so unglücklich gemacht hat. ? Lützow, der der treulosen Gefangenschaft entronnen ist, war in Berlin beschäftigt, sein Corps zu retablieren. Ebenso Colomb, der mit dreizehn Mann seinen glücklichen Feldzug vollendet hat. Letzterer hat in Berlin schon achtunddreißig völlig ausgerüstete Freiwillige gefunden, die, bei Erneuerung des Krieges, wieder mit seinem kleinen Corps ausziehen wollen. Ich hoffte, man werde die an Lützow begangene Verräterei ahnden, denn was hilft Waffenstillstand, wenn solche Hinterlist erlaubt wäre. ? Österreich unterhandelt noch. Wenn es, anstatt zu unterhandeln, mit 100 000 Mann nach Erfurt ginge, so wäre die Sache zu Ende. Aber Erfahrung macht ja die Kabinette nicht klüger.


L., den 26. Juli 13

Den 24. d. reiste der Kronprinz von Schweden hier durch nach Berlin, mit einem ziemlichen Gefolge, denn er brauchte 118 Pferde. Wie es heißt, wird er die Truppen, die seinem Befehl unterstellt werden sollen, in Augenschein nehmen, danach aber die Defensionsanstalten bereisen und alle Positionen längst der Elbe besichtigen. Das alles deutet mehr auf Krieg als Frieden, obgleich die Negoziationen in Prag ihren Fortgang haben. Die Ausrüstung der Landwehr kostet ein rasendes Geld. Unser kleiner Kreis, der 330 Mann zu stellen hatte, hat außer dem, was den Wehrmännern von ihren Eltern oder Grundherrschaften gegeben ist, schon 7000 Taler zur Feldausrüstung aufgebracht, und der Magazinlieferungen ist kein Ende. Jetzt zieht sich die ganze pommersche und kurmärkische Landwehr längst der sächsischen Grenze hin. Sie beträgt über 20 000 Mann, die nun insgesamt mit Feuergewehr versehen sind. Alle Piken sind gottlob beiseite gelegt. Englische Sendungen von Militäreffekten sind angekommen, und andere stehen noch in Sicht. Gewiß sind schon über 12 000 neue englische Gewehre an die Landwehr verteilt, und was uns am meisten not tat, Schießpulver, ist jetzt in Menge da. ? Mit unserem hier befehlenden Generallieutenant von B. sind die Truppen nicht recht zufrieden; sie beschuldigen ihn, daß er in dem gewonnenen Gefecht bei Luckau das Oudinotsche Corps gänzlich hätte aufreiben können, wenn er den General Borstell mit der Reiterei zeitig genug an sich gezogen hätte. Die österreichische Armee steht schlagfertig da und schimpft auf das Zögern ihres Ölgötzen, der dadurch aber nicht besser und klüger werden wird.


L., den 6. August 1813

Heute rücken die ersten Schweden in Gransee, Zehdenick, Bergsdorf, Falkenthal etc. ein. Ein vorausgegangener Oberster hat bei der Durchreise den Amtmann Haupt ersucht, den Landrat von Schlechtendahl wissen zu lassen, daß er in seinem Kreise die Dörfer von dem Anmarsche der Schweden benachrichtigen möchte, damit diese freundlich aufgenommen würden. Er hat dabei mitgeteilt, daß das ankommende Corps 22 000 Mann betrage und vors erste zwischen Oranienburg, Gransee und Zehdenick sich einzuquartieren gedenke. Des Kronprinzen Pferde sind gestern durch Löwenberg nach Oranienburg gezogen, wohin der Kronprinz auch sein Hauptquartier legen wird.


L., den 20. August 13

Am 8. traf hier bei mir in Liebenberg das Hauptquartier der ersten schwedischen Division ein. Ich logierte bis zum 14. abends den Generallieutenant von Skjoldebrand, zwei Majors (Oberadjutanten), zwei Capitains von der Generaladjutantur, drei Ingenieuroffiziers, zwei Oberauditeurs, einen Oberchirurgus, zwei Lieutenants, 124 Unteroffiziere und Gemeine, dreizehn Knechte und vierundzwanzig Pferde. Ich hatte außerdem noch manche andere Offiziers, die zum General kamen, zu Mittag. Wir waren immer zwischen achtzehn bis zwanzig Personen zu Tisch, und des Tafelns war kein Ende. Indessen es ging alles gut. Die Schweden waren mit uns und ich mit ihnen zufrieden. Die Offiziers alle ausgesucht gebildete Menschen, und die Gemeinen das schönste Volk und das gesittetste, welches man sehen mag. ? Die Not der armen Sachsen wächst. Dies haben sie ihrem Ölgötzen zu verdanken, der, wenn er auf dem Königstein blieb, seine Truppen in Torgau und Wittenberg beließ und sich zu uns gesellte, keinen Feind im Lande gesehen hätte. Die Franzosen wären nicht weiter als bis an die Saale gekommen. Es wird eine Zeit anbrechen, und sie ist nicht entfernt wo die Völker den Druck ahnden werden, der aus schlechten Regierungen entsteht. Was mich über den Zustand Europas in etwas beruhigt, ist die allgemeine Bedrückung und Anstrengung. Diese letztere ist so groß, daß sie nicht lange bestehen kann, und eine allgemeine Ohnmacht wird den Frieden herbeiführen. Schon leidet die französische Armee durch Desertion, was früher unerhört war, und Moreaus Ankunft weckt manchen seiner alten Freunde.


L., den 22. August 1813

Landrat von Schlechtendahl hatte Befehl, mich für die gezwungene Anleihe zu veranschlagen, und auf seine Hervorhebung alles dessen, was ich schon geliefert und gezahlt hätte, schreibt ihm der Präsident von Bassewitz: "Hart wär es, aber Geld müsse geschafft werden." Alles bare Geld aus den Kassen hat Hardenberg nach Schlesien kommen lassen, und nun liegt es uns ob, diese leeren Kassen wieder zu füllen. Wann wird man doch die Finanzdurchbringer wegjagen und ehrliche Leute einsetzen.


L., 11. September 13

Außer dem, was den Franzosen die Retraite aus Schlesien und die Niederlage des Vandammeschen Corps in Böhmen kostet, haben sie auch bei ihrem dritten gescheiterten Vorgehen gegen Berlin, und zwar bei Jüterbog (Dennewitz), arge Verluste gehabt. Der Heerführer Ney, der gegen Blücher unglücklich war (Irrtum, es war Macdonald), und sein Konfrater Oudinot waren es auch hier bei Dennewitz; sie unterlagen. Vermutlich sollte die Niederlage an der Katzbach durch irgendeinen desperaten Coup ausgelöscht werden; das schlug aber so fehl, so daß sie mit einer Einbuße von fast 15 000 Mann eiligst nach Torgau liefen. Der Kronprinz von Schweden, der wohl weiß, mit wem er zu tun hat, ist sehr vorsichtig in seinen Bewegungen; er äußert bei jeder Gelegenheit seine Zufriedenheit über unsere Truppen, die denn auch wirklich Wunder tun. Noch ist kein Treffen gewesen, in dem sie nicht wie Rasende den Feind gepackt und ihn in aller Strenge des Ausdrucks totgeschlagen hätten. Aus dieser Ursache und weil unsere und die russische Kavallerie die feindliche niederreitet, kommt es auch, daß die Franzosen soviel Artillerie verlieren. Es kostet uns aber viele brave Menschen. Hätte der Ölgötze dem Feinde nicht seine Festungen eingeräumt, so magst Du versichert sein, daß der ganze feindliche Schwarm längst schon über die Saale getrieben wäre. Gott wird uns ja wohl von dem Gesindel befreien, das nun, seit Aufhebung des Waffenstillstandes, schon an 70 000 Mann verloren hat. Dazu mehr denn 200 Kanonen.


L., den 27. Sept. 13

Die französischen Verluste bei Dennewitz sind sehr groß gewesen, zum Teil dadurch, daß die zu rechter Zeit eintreffende russische und schwedische Artillerie die französischen Massen in die Flanke nahm und dadurch der Reiterei Gelegenheit zum Einhauen gab.

Wenn die Dänen nicht zu Napoleon hielten, so glaub ich, daß auch Davoust nicht mehr existierte. Die Gefangennehmung seines Waffen- und Gemütsbruders Vandamme bei Kulm und Nollendorf hat auch hier große Freude gemacht. Ich denke, er wird vom General Kleist (dem späteren Kleist von Nollendorf) nicht sagen "cette canaille", wie er es vom Grafen Goltz gesagt haben soll. Allgemein wird behauptet, daß, wenn unser König nicht standhaft auf die Behauptung der Gegend bei Töplitz gedrungen hätte, der Fürst Schwarzenberg über die Eger zurückgegangen sein würde, wodurch Vandamme Herr des Gebirges bis Glatz geworden wäre. Der König hat sich dadurch die Liebe und das Vertrauen der Armee und der Böhmen erworben. Unsre Landwehrbataillons haben viel verloren, aber auch wie die alten Truppen gefochten. Viele von den beiseite gelegten Offiziers der alten Armee benehmen sich jetzt als Landwehroffiziers wie die Helden, woraus man abnehmen kann. daß manchem Unrecht geschehn ist. Freund Unruhs Fata sind wirklich sonderbar; er könnte seinen Lebenslauf schreiben, der vielleicht interessanter wäre als der von Wilhelm Meister.


L., den 5. Oktober 13

Du kennst meinen alten Tagelöhner Claer, dessen Sohn ich für die Landwehrkavallerie eingekleidet habe. Dieser war immer mit dabei. Rittmeister von Redern hat seinem Bruder geschrieben, daß Claer ein ganz vorzüglicher Soldat und vom Brigadegeneral zum Eisernen Kreuz vorgeschlagen sei. Bei dem Hagelsberger Gefecht ist er mit seinem Schimmel und seiner Pike der erste gewesen, der in das feindliche Quarré kam; vier Kugeln und fünf Bajonettstiche haben den Schimmel getötet, ohne den Claer zu beschädigen. Dieser kommt zu Redern und sagt: "Was ist nun zu tun, Herr Rittmeister, der Schimmel ist tot?" ? "Geh zurück", sagt Redern. Ein paar Minuten darauf sieht er ihn aber wieder auf einem aufgegriffenen Pferde im Galopp ankommen, und beim Verfolgen der Franzosen ist er, hauend und stechend, immer im dichtesten Getümmel. gewesen. An seine Eltern schrieb er, "sie sollten ihm nicht antworten, denn an der Elbe, wo sie jetzt stünden, blieben sie nicht". Und nun erseh ich aus den Zeitungen, daß Marwitz Braunschweig überrumpelt hat. Unsre Landwehr ist also dort. Die gefangenen Franzosen, die hier durchtransportiert werden, nennen die Landwehr "Kreuzbauern" und setzen hinzu: "Viel schlimm; immer ?Bruder, schla drup?, nicks Pardon, viel miserable." Ein Glück, daß sie sich so in Respekt gesetzt haben.


L., 23. Oktober 1813

Danken wir Gott für seine Gnade. Das Maß der Untat war voll, und bei Leipzig, am 18. und 19., sind die Würfel gegen den großen Würger gefallen. Es war mutmaßlich sein Plan, den Kronprinzen von Schweden, der ihm durch seine Stellung an der Saale Unglück drohte, durch Absendung eines Corps fortzumanövrieren. Er hatte jedoch nicht gebührend in Anschlag gebracht, daß die um ihn herum stehende alliierte Armee durch eine konzentrische Bewegung ihn in einen Kreis zusammendrängen und ihn entweder angreifen oder aber ihn zwingen würde, sie anzugreifen. Überhaupt scheint der große Held einige Überreste des vorjährigen Frostes in seinem Hirn zu haben, denn in seinem hartnäckigen Bestehen auf sein ruinöses Projekt hat er Fehler begangen, die keinem Anfänger zu verzeihen sind. Es ist uns durch diese Fehler ein weiterer Beweis dafür erspart worden, daß er, ohne eine numerisch überlegene Macht, nicht der von aller Welt bewunderte Heros geworden sein würde. Nochmals Preis und Dank, daß der 18. Oktober ein Tag des Verderbens für ihn wurde. Wenn Du unsere Zeitungen mit den Extrablättern erhältst, so wirst Du die Umstände der großen Begebenheit schon wissen. So viel kann ich Dir versichern, daß unsere Truppen ihrer großen Erinnerungen würdig gefochten haben. Unsere Landwehren, die großenteils von früher als "untauglich" pensionierten Stabsoffizieren geführt wurden, haben sich mit einem Mute benommen, den selbst die Linientruppen bewundern.

Welch ein Kontrast zwischen den sächsischen Truppen und ihrem König! Erstere sind alle zu uns getreten, und letzterer ist nach Prag hin abgeführt worden. Wenn der Ölgötze einige Empfindung von Scham hätte, so müßt er sterben, allein er wird all seine Dummheiten dem Willen der Vorsehung zuschreiben und sich selbstverständlich diesem Willen unterwerfen. Der Rheinbund ist aufgelöst, und will´s Gott, so bringt Napoleon nicht viel von seinem Heere nach Hause. Denn um ihn herum sind wenigstens 12 000 Kosaken und fast ebensoviel reguläre Kavallerie. Er kann keinen Schritt tun, ohne zu schlagen, und wird er nur so lange aufgehalten, daß Infanterie herankommen kann, so muß er en détail aufgerieben werden. Vielleicht daß er dabei, zur Ruhe des Menschengeschlechts, die eigene "Ruhe" findet. Ich wünsch es ihm und uns. Hoffentlich werden nun alle Festungen fallen, und die französischen Corps unter Gouvion St. Cyr können der Gefangenschaft nicht entgehen. Es bleibt ihnen nichts übrig, als sich nach Dresden hineinzuwerfen, wo nichts zu leben ist. Hoffentlich werden wir den Sieg zu benutzen und einen raschen Frieden herbeizuführen wissen. Ich atme wieder auf, und seh ich auf das, was, wetteifernd mit den eigentlichen Soldaten, unsere Landwehren getan haben, so erquickt es mein altes Herz, daß es, neben Gottes Gnade, des Volkes Kraft war, was diesen Wechsel der Dinge schuf.

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