Hier finden Sie alles rund
um die Literatur Berlins
und Brandenburgs:
Institutionen, Archive,
Bibliotheken, Gedenkstätten,
aber auch heimische Sagen,
Eindrücke klassischer Autoren,
und einen kleinen literatur-
geschichtlichen Überblick.

Sein unecht Weib

Informationen

Literaturangabe:

Schäfer, Gustav
Die Mark und Berlin im Spiegel der Dichtung, Berlin 1926

zurück

Sein unecht Weib

Joachim über die Heide ritt
Vor Taue noch und Tagen,
Die allerschönste Dirne mit,
Den roten Hirsch zu jagen.

Da gab das Hifthorn hellen Ton,
Verheißend die reichste Beute,
Da klang aus frischer Fährte schon
Der Bracken stolz Geläute.

Von Müggelsbergen zum Müggelsee
Der Jagdzug brauste nieder,
Und lustig in der Fern? und Näh?
Die Wälder hallten wider.

Und als die Jagd vorüber war,
Da lagert? unter der Linde,
Den Bruch am Hut, die Jägerschar,
Die Treiber und Gesinde.

Da schmauste von dem grünen Tisch
Der Kurfürst mit den Knechten,
Da ging herum der Becher frisch,
Nach Jägerbrauch, zur Rechten.

Und an Joachims Seite sitzt
Die allerschönste Dirne;
Manch köstliches Geschmeide blitzt
An Nacken ihr und Stirne.

Die schöne Gießerwitwe war?s,
Die tät mit süßen Blicken
Und in den Flechten ihres Haars
Joachims Herz verstricken.

Der Kurfürst schwang voll Lust den Hut,
So war?s nach seiner Weise -
Da hört? er - Waidmanns Ohr ist gut -
Die Treiber flüstern leise :

?Die schmucke Dirne bei ihm, schau!
Wie helle funkeln die Steine!? -
?Das ist des Herrn unechte Frau,
Ihr wißt schon, was ich meine?? -

?Wie darf er haben ein unecht Weib,
Was uns ist schwere Sünde?
Dem gings nach Rechten an den Leib,
Wer das sich unterstünde!?

Heiß flog?s dem Fürsten übers Gesicht,
Scheu sanken die Blicke nieder;
Die scharfe Rede der Bauern schlicht,
Im Herzen hallte sie wider.

Und zu der schönen Gießerin
Hat er sich leise gewendet:
?Zur Seite tritt, zur Seite hin,
Bis wir das Mahl geendet!?

Wie fest ihn auch die Liebe band,
In der sein Herz gefangen,
So ist er doch an ihrer Hand
Nie mehr durchs Volk gegangen.


[Georg Hesekiel (1818 - 1874), Schriftsteller, Mitglied im "Tunnel unter der Spree", Freund Fontanes, thematisiert das Liebesverhältnis der brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. mit der bürgerlichen Anna Sydow, der Tochter eines Gießers. Johann Georg, der Sohn und Nachfolger Joachim II., läßt Anna Sydow nach dem Tod seines Vaters auf der Festung Spandau festsetzen, wo sie 1575 stirbt. Der Stoff hat Anlaß zur historischen Legendenbildung gegeben. Die vielerorts kursierende Sage von der Weißen Frau wird in Spandau auf Anna Sydow bezogen. Literarisch wurde das Thema u.a. von Dorothea Goebeler aufgenommen.]

1

Schriftsteller mit Bezug zum Text

1

Orte mit Bezug zum Text