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Wie die Jungfernbrücke ihren Namen erhielt

Informationen

Literaturangabe:

Kunzendorf, Paul
Sagen der Provinz Brandenburg nach Stadt- und Landkreisen gesichtet und hrsg. von Paul Kunzendorf, Cottbus 1911

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Wie die Jungfernbrücke ihren Namen erhielt

Wie die Jungfernbrücke ihren Namen erhielt

In einer französischen Emigranten-Familie, die in den Häusern an der Friedrichsgracht wohnte, waren neun Töchter, nicht mehr ganz jung, aber alle gleich redselig und klatschsüchtig. Alles, was in der Nachbarschaft vorging, wurde bei ihnen durchgehechelt und durch sie weitergetragen, so daß sie bald in der ganzen Stadt als Klatschbasen verschrien waren. Die kleine Brücke, die vordem Alte Leipziger oder auch Spreegassen-Brücke hieß, war besonders zum Sammelpunkt der neun Klatschbasen ausersehen, und so kam es, daß die Brücke zunächst nur im Volksmund, dann aber auch amtlich als Jungfernbrücke bezeichnet wurde. Aber noch eine andere Begebenheit knüpft sich an diesen Namen. Ein alter Liebhaber soll aus Eifersucht das Mädchen seiner Wahl auf der Brücke überfallen, zu Tode gewürgt und dann in das Wasser geworfen haben, später aber durch einen blinden Bettler verraten und seiner Schuld überführt worden sein. Der Tod dieser Jungfrau, die ebenfalls einer französischen Familie angehört haben soll, habe dann der Brücke ihren noch heute bestehenden Namen verschafft.

Nach einer anderen Version lautet die Sage wie folgt: Der Name der Jungfernbrücke, wie man die Spreegassen-Brücke auch genannt hat, ist daher gekommen, daß, als nach der Aufhebung des Edikts von Nantes zahlreiche vertriebene Reformierte nach Berlin flüchteten und daselbst um Aufnahme baten, auch ein gewisser Herr Blanchet mit neun heiratsfähigen Töchtern, die namentlich durch die kunstvollen Spitzen, die sie zu klöppeln verstanden, berühmt wurden, hier seinen Aufenthalt nahm und eine Bude an der sogenannten Friedrichsgracht oder Friedrichsgraben errichtete, wo sie ihre Arbeiten zum Verkauf ausboten. Ebenso berühmt wie aber diese neun Mädchen durch die kunstvollen Arbeiten ihrer Hände wurden, ebenso gefürchtet wurden sie wegen ihrer spitzen Zungen und ihrer Klatschsucht, so daß jede böse Neuigkeit und hämische Erdichtung den Jungfern an der Brücke zugeschrieben und der Brücke selbst im Lauf der Zeit dann der Name Jungfernbrücke beigelegt wurde.

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