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Wo man Bernauer Bier holt

Informationen

Literaturangabe:

Schwartz, Wilhelm
Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg, Stuttgart, Berlin 1871

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Wo man Bernauer Bier holt

Wo man Bernauer Bier holt

Das Bernauer Bier war einst weltberühmt. Sie hatten in Bernau dafür auch eine merkwürdige Bierprobe. Sobald es geprüft werden sollte, wurde nämlich auf dem Ratssaal etwas davon über die großen gepolsterten Stühle gegossen. Wenn nun die Ratsherren sich hinsetzten und mit ihren ledernen Büxen so fest saßen, daß sie beim Aufstehen den Stuhl mit in die Höhe zogen, dann galt es als stark genug und probehaltig und durfte verzapft und ausgeführt werden, sonst nicht.

Von seiner Dauerhaftigkeit und Güte gab es nun in Berlin immer eine alte Geschichte, die zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges passiert sein sollte. Ein Junge aus Bernau, heißt es, war bei einem Berliner Schuhmacher in die Lehre gebracht worden, wo ihm nicht gerade goldene Tage blühten, denn die Meisterin führte ein strenges Regiment. Deshalb erschrak er sehr, als sie ihm gleich in den ersten Tagen eines Nachmittags, als einige Gevattersleute zum Besuch einsprachen, eine zinnerne Kanne gab und ihm auftrug, Bernauer Bier zu holen. Daß es Bernauer Bier in Berlin geben könne, der Gedanke kam ihm nicht in den Sinn; zu fragen getraute er sich weiter auch nicht, und so wanderte er denn zum damaligen Georgen-, jetzigen Neuen-Königstor hinaus, um aus seiner Vaterstadt Bernauer Bier zu holen. Spät abends kam er dort an zum großen Erstaunen seiner Eltern, und das wuchs noch, als sie den Zusammenhang hörten. Was sollten sie aber mit dem Jungen machen? Nachdem er für seine Dummheit ausgescholten worden, fütterte ihn seine Mutter gehörig nach dem weiten Weg und schickte ihn zu Bett; den ändern Morgen sollte er wieder zurück nach Berlin. Am ändern Tag füllten sie ihm dann auch den Krug wirklich mit echtem Bernauer Bier und gaben ihm noch Eier, Speck und dergleichen an die Frau Meisterin mit, damit er sie etwas besänftigen könne. Der Junge wanderte auch zuerst rüstig fort, je näher er aber Berlin kam, desto unheimlicher wurde ihm der Gedanke, der Frau Meisterin wieder vor die Augen zu treten. Endlich faßte er einen raschen Entschluß; er vergrub die Kanne in einen Steinhaufen und ging in die weite Welt.

Es waren damals wilde Zeiten, wo man nach einem solchen Knaben nicht weiter viel fragte; der Junge war eben verschwunden, damit war es genug. Gelegentlich sprach man wohl bei den Schuhmachersleuten noch davon, dann hörte auch dies auf.

Viele Jahre waren nun seitdem vergangen, da hielt eines Tages ein Reiter vor dem Haus des Schuhmachers. Es war unser Junge, der inzwischen herangewachsen, Kriegsdienste genommen und es durch Mut und Tapferkeit bis zum Rittmeister gebracht hatte und nun seinen alten Lehrherrn und die Frau Meisterin, vor der er jetzt sich nicht mehr fürchtete, aufsuchte, als er gerade einmal durch Berlin kam. Die Leute wollten es zuerst gar nicht glauben, daß er der Junge sei, der ihnen mit der zinnernen Kanne, wie die Meisterin sich ausdrückte, " durchgegangen " wäre. Da bestand er darauf, daß sie alle mit hinauskämen nach dem Bernauer Weg zu dem Steinhaufen, in den er die Kanne vergraben hatte; denn daß der noch da war, davon hatte er sich vorher überzeugt. Nun gingen alle, auch die Nachbarn, mit hinaus, und wie man die Steine wegräumte, siehe, da stand der Krug noch unversehrt da, und als man gar den Deckel hob, da hatte sich das Bernauer Bier nicht bloß gut erhalten, sondern war, wie es heißt, noch duftender und schöner geworden denn zuvor.

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