Der neue Bereich unseres Portals macht es sich zum Anliegen, die internationalen Literaturszenen Berlins zu kartographieren, die handelnden Personen und ihre Schauplätze sichtbar und zugänglich zu machen. 
Die Entstehung der Rubrik wurde durch eine Förderung des Hauptstadtkulturfonds ermöglicht. 

Meriam Bousselmi

Autor/In

© Paulus Ponizak

Steckbrief

Geboren am: 31.7.1983
Geburtsort: Tunis
Geburtsland: Tunesien
Lebt in: Berlin, Kreuzberg


Arbeitssprache: Tunesisch - Arabisch - Französisch - Englisch

Vita

Meriam Bousselmi geboren 1983 in Tunis, studierte Rechts- und Politikwissenschaft an der Universität Tunis Karthago. Sie ist eine arabisch- und französischsprachige Autorin, Regisseurin, Rechtsanwältin, Dozentin, Forscherin und Brückenbauerin. Sie forscht im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Universität Hildesheim zur Inszenierung von Gerechtigkeit bzw. zum Verhältnis von Justiz und Theater und setzt dieses Thema auch künstlerisch um.

In ihrer künstlerischen Praxis verbindet Meriam Bousselmi die unterschiedlichsten Formen des Erzählens: literarische Texte, Theaterinszenierungen und performative Installationen. Sie reflektiert anhand verschiedener ästhetischer Formen die gegenwärtigen politischen, sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Indem sie Genregrenzen überschreitet und sich mit Tabuthemen auseinandersetzt, gibt sie ein kritisches Bild unserer Zeit wieder. Ihre Arbeiten werden zu einem künstlerischen Statement gegen politische Manipulationen und die vorherrschenden negativen Narrative unserer Welt.

Von 2002–2007 war sie als Autorin und Regisseurin am A.R.A.F. Center (Arab-African Center for Theatre Training and Research at El Hamra Theatre) in Tunis tätig.

2018 ist Meriam Bousselmi nach Berlin gezogen und seitdem hat sie einen mehrsprachigen Schreibstil und einen transkulturellen künstlerischen Ansatz entwickelt. Ihre neuen Projekte übersetzen Begriffe wie Dialog, Transfer und Vermischung von Erzählweisen in die Praxis: „Ein Blick auf die Welt“ (2017) ist eine 50-minütige Performance im Dunkeln, in der sich mehrere Geschichten, die davon handeln, was uns gegen die Macht von Dunkelheit und Verzweiflung zusammenhält, zu einer Klangpolyphonie überlagern. „Heimat Wort“ (2019) zeigt anhand einer Lesart der Biographie von Hilde Domin, wie die Sprache und das Übersetzen zu einer neuen Heimat werden können. „Der Titel ist frei übersetzbar“ (2020) fächert die Möglichkeiten auf, innerhalb dessen zu kommunizieren, was sie den „Sprachdschungel“ nennt. Die Worte erzählen nicht nur eine Geschichte, sondern bringen sie überhaupt erst hervor.

https://www.berliner-kuenstlerprogramm.de/de/artist/meriam-bousselmi-2/

6 Fragen

Was hat Sie nach Berlin verschlagen? Die Liebe? Der Zufall? Die Weltpolitik?

Meine Einwanderung nach Berlin erlebe ich wie das Resultat meines angesammelten Widerstands. Ich kann nicht sagen, dass diese Einwanderung auf eine echte Entscheidung zurückgeht. Es ist eher eine Folgeerscheinung oder eine andere Form von Widerstand. Wenn ich mich von meinem Widerstand abgeschnitten fühlte, schien es mir, als müsste ich anderswo sein, da, wo ich meinem Widerstand näher wäre. Meinen Papieren nach wohne ich in Berlin, aber im Kopf bewohne ich einen Widerstand.


An Berlin liebe ich:

Was ich bereits am interessantesten in Berlin finde, ist eine Form von Widerstand. Obwohl es auch vorkommt, dass ich an dieser Fähigkeit zum Widerstand zweifle, zu dem die Stadt mich zu Beginn meines Aufenthalts inspiriert​ hat​. Der Blick der Einwanderin ist sicher wacher als das Auge der Touristin, die ich anfangs war.


In Berlin vermisse ich:

meine Mutter, mein Vater, mein Bruder, meine Schwester, den tunesischen Dialekt und die Gerüche und Farben Tunesiens


Ein Lieblingsort in Berlin:

Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin-Tiergarten


Sind Sie in Berlin ein anderer Mensch, eine andere Autorin, ein anderer Autor als im Land Ihrer Herkunft? Inwiefern?

Eine Einwanderung ist keine losgelöste Handlung, sondern ein Prozess, ein Parcours, ein Weg, eine existentielle Erfahrung, die oft intensiv und verstörend ist. Oft ist eine Einwanderung auch eine Geschichte. Was ich am meisten gelernt habe durch die Einwanderung, ist Bescheidenheit. Die Bescheidenheit, die uns das Fremdsein lehrt. Außerdem reißt uns die Einwanderung aus unserer Faulheit.


Ein literarisches Werk, das ich gern geschrieben hätten:

Hunger (Norwegisch: Sult), der erste Roman von Knut Hamsun. Zeit der Nordwanderung von der sudanesische Autor Tajjib Salich (Roman)

Würdigung

2011 Sheikh Sultan Al Qasimi Preis für das beste Theaterstück beim 4. Arabischen Theaterfestival für das Theaterstück "Mémoire en retraite"


2011 Stipendiatin der von Amélie Nothomb geförderten Schriftstellerresidenz im Château du Pont d'Oye in Belgien


2012  Stipendiatin der Sektion Darstellende Kunst der Akademie der Künste Berlin


2014  Hauptpreis in der Kategorie „Beste Autorin“ beim 7. Grand Prix Afrique du Théâtre francophone

2014  Preis des Luxemburgischen Theaterverbands für das Monodrama "Was der Diktator nicht gesagt hat"

2014  Preis für die beste Konferenz zum Abschluss des Anwaltspraktikums beim Nationalen Anwaltsorden von Tunesien Dissertation unter dem Titel: „Schutz der finanziellen Rechte von Dramatiker:innen“.

2015 – 2016   Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (Sparte Literatur)


2021  Schriftstellerstipendiatin im Heinrich Böll-Haus Langenbroich e.V.


2022  Stipendiatin der Berliner Senat Jahresstipendien für nicht-deutschsprachige Literatur

Werk

Veröffentlichungen in deutscher Sprache

Originalwerke

„Le Tarmac, un théâtre victime de la théâtrocratie ? “

Nawat. Tunis, 2028 Tribüne

. “When the artist claims to be "his own government"- On Artists’ Voices in the Making of Cultural Policies”

Georg Olms Verlag, Hildesheim , 2019 Essay in: Daniel Gad, Katharina M. Schröck, Aron Weigl (Hg.): Forschungsfeld Kulturpolitik - eine Kartierung von Theorie und Praxis. Festschrift für Wolfgang Schneider, Hildesheim 2019, Georg Olms Verlag, S. 207-216

What the Dictator Didn't Say. Translation in English: Salma Riahi.

International Performing Rights Ltd, London, 2016

Sin of Success. Translation in English: Salma Riahi

International Performing Rights Ltd, London, 2013

مسودة حياة / Brouillon de Vie

Sud Editions. Tunis, 2008 Interaktiver Roman

“Arts Education. A waste of time and taxpayers’ money?”

Peter Lang Verlag, Berlin , 2022 Essay in “Arts Education. A waste of time and taxpayers’ money?”, in: Wolfgang Schneider, Yvette Hardie, Emily Akuno, Daniel Gad (Hg.): Cultural Policy for Arts Education / African-European Practises and Perspectives, Berlin 2022: Peter Lang Verlag, S. 2

A Look at the World. Translation in English by Salma Riahi.

International Performing Rights Ltd, London, 2017

„Theatre When Everything is Theatricalized “

ART&THOUGHT / FIKRUN WA FANN Magazine 103, München, 2015 Essay in Goethe-Institut, ART&THOUGHT / FIKRUN WA FANN Magazine 103, München 2015, S.49 – 55

ماشي أون لاين - Meshy Online

Beirut World Book Capital / Bissan Publishing and Distribution Beirut, 2010 Theaterstück