Meriam Bousselmi geboren 1983 in Tunis, studierte Rechts- und Politikwissenschaft an der Universität Tunis Karthago. Sie ist eine arabisch- und französischsprachige Autorin, Regisseurin, Rechtsanwältin, Dozentin, Forscherin und Brückenbauerin. Sie forscht im Rahmen ihrer Doktorarbeit an der Universität Hildesheim zur Inszenierung von Gerechtigkeit bzw. zum Verhältnis von Justiz und Theater und setzt dieses Thema auch künstlerisch um.
In ihrer künstlerischen Praxis verbindet Meriam Bousselmi die unterschiedlichsten Formen des Erzählens: literarische Texte, Theaterinszenierungen und performative Installationen. Sie reflektiert anhand verschiedener ästhetischer Formen die gegenwärtigen politischen, sozialen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Indem sie Genregrenzen überschreitet und sich mit Tabuthemen auseinandersetzt, gibt sie ein kritisches Bild unserer Zeit wieder. Ihre Arbeiten werden zu einem künstlerischen Statement gegen politische Manipulationen und die vorherrschenden negativen Narrative unserer Welt.
Von 2002–2007 war sie als Autorin und Regisseurin am A.R.A.F. Center (Arab-African Center for Theatre Training and Research at El Hamra Theatre) in Tunis tätig.
2018 ist Meriam Bousselmi nach Berlin gezogen und seitdem hat sie einen mehrsprachigen Schreibstil und einen transkulturellen künstlerischen Ansatz entwickelt. Ihre neuen Projekte übersetzen Begriffe wie Dialog, Transfer und Vermischung von Erzählweisen in die Praxis: „Ein Blick auf die Welt“ (2017) ist eine 50-minütige Performance im Dunkeln, in der sich mehrere Geschichten, die davon handeln, was uns gegen die Macht von Dunkelheit und Verzweiflung zusammenhält, zu einer Klangpolyphonie überlagern. „Heimat Wort“ (2019) zeigt anhand einer Lesart der Biographie von Hilde Domin, wie die Sprache und das Übersetzen zu einer neuen Heimat werden können. „Der Titel ist frei übersetzbar“ (2020) fächert die Möglichkeiten auf, innerhalb dessen zu kommunizieren, was sie den „Sprachdschungel“ nennt. Die Worte erzählen nicht nur eine Geschichte, sondern bringen sie überhaupt erst hervor.
https://www.berliner-kuenstlerprogramm.de/de/artist/meriam-bousselmi-2/
Was hat Sie nach Berlin verschlagen? Die Liebe? Der Zufall? Die Weltpolitik?
Meine Einwanderung nach Berlin erlebe ich wie das Resultat meines angesammelten Widerstands. Ich kann nicht sagen, dass diese Einwanderung auf eine echte Entscheidung zurückgeht. Es ist eher eine Folgeerscheinung oder eine andere Form von Widerstand. Wenn ich mich von meinem Widerstand abgeschnitten fühlte, schien es mir, als müsste ich anderswo sein, da, wo ich meinem Widerstand näher wäre. Meinen Papieren nach wohne ich in Berlin, aber im Kopf bewohne ich einen Widerstand.
An Berlin liebe ich:
Was ich bereits am interessantesten in Berlin finde, ist eine Form von Widerstand. Obwohl es auch vorkommt, dass ich an dieser Fähigkeit zum Widerstand zweifle, zu dem die Stadt mich zu Beginn meines Aufenthalts inspiriert hat. Der Blick der Einwanderin ist sicher wacher als das Auge der Touristin, die ich anfangs war.
In Berlin vermisse ich:
meine Mutter, mein Vater, mein Bruder, meine Schwester, den tunesischen Dialekt und die Gerüche und Farben Tunesiens
Ein Lieblingsort in Berlin:
Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin-Tiergarten
Sind Sie in Berlin ein anderer Mensch, eine andere Autorin, ein anderer Autor als im Land Ihrer Herkunft? Inwiefern?
Eine Einwanderung ist keine losgelöste Handlung, sondern ein Prozess, ein Parcours, ein Weg, eine existentielle Erfahrung, die oft intensiv und verstörend ist. Oft ist eine Einwanderung auch eine Geschichte. Was ich am meisten gelernt habe durch die Einwanderung, ist Bescheidenheit. Die Bescheidenheit, die uns das Fremdsein lehrt. Außerdem reißt uns die Einwanderung aus unserer Faulheit.
Ein literarisches Werk, das ich gern geschrieben hätten:
Hunger (Norwegisch: Sult), der erste Roman von Knut Hamsun.
Zeit der Nordwanderung von der sudanesische Autor Tajjib Salich (Roman)
2011 Sheikh Sultan Al Qasimi Preis für das beste Theaterstück beim 4. Arabischen Theaterfestival für das Theaterstück "Mémoire en retraite"
2011 Stipendiatin der von Amélie Nothomb geförderten Schriftstellerresidenz im Château du Pont d'Oye in Belgien
2012 Stipendiatin der Sektion Darstellende Kunst der Akademie der Künste Berlin
2014 Hauptpreis in der Kategorie „Beste Autorin“ beim 7. Grand Prix Afrique du Théâtre francophone
2014 Preis des Luxemburgischen Theaterverbands für das Monodrama "Was der Diktator nicht gesagt hat"
2014 Preis für die beste Konferenz zum Abschluss des Anwaltspraktikums beim Nationalen Anwaltsorden von Tunesien Dissertation unter dem Titel: „Schutz der finanziellen Rechte von Dramatiker:innen“.
2015 – 2016 Stipendiatin des Berliner Künstlerprogramms des DAAD (Sparte Literatur)
2021 Schriftstellerstipendiatin im Heinrich Böll-Haus Langenbroich e.V.
2022 Stipendiatin der Berliner Senat Jahresstipendien für nicht-deutschsprachige Literatur