Stéphanie Lux wurde 1978 in Thionville (Frankreich) geboren. Sie studierte Germanistik in Nancy, Strasbourg und Leipzig. Nach zwei Praktika, in der Literaturagentur copywrite in Frankfurt am Main und beim Verlag Actes Sud in Arles, nahm sie 2004 am Goldschmidt-Programm für junge deutsch-französische Literaturübersetzer teil, woraufhin sie ihren ersten Übersetzungsvertrag unterschrieb und nach Berlin zog. 2006 war sie Teilnehmerin der Sommerakademie, 2007 und 2014 des Internationalen Übersetzertreffens im LCB. Sie nahm an der deutsch-französischen Übersetzerwerkstatt Vice-Versa 2013 in Arles teil und kehrte 2015 dorthin zurück mit einem Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung. Sie lebt in Berlin als Literaturübersetzerin, übersetzt auch Texte für Punkbücher, Ausstellungskataloge und Künstlermonographien (manchmal aus dem Englischen) und arbeitet seit 2013 gelegentlich als Büchhändlerin bei Anakoluth.
Wir haben Kurator*innen gebeten, wichtige Orte der jeweiligen Szenen zusammenzustellen und so kann man sich auf verschiedenen Sprachlinien durch die Stadt bewegen.
Stéphanie Lux
Vorwort
Nach dem Englischen ist Deutsch die Sprache, die ins Französische am meisten übersetzt wird – und umgekehrt. Es herrscht ein reger literarischer Austausch zwischen Deutschland und Frankreich. Die langjährigen Beziehungen zwischen Verlagen und Lektoren aus beiden Ländern sind eng, und nicht wenige deutsche Lektoren können perfekt französisch (was umgekehrt leider nur selten gilt). Etablierte Förderprogramme und Workshops regen den Austausch zwischen Verlagsleuten, Buchhändlern und Übersetzern beider Länder zusätzlich an. Auch genießen einige französische Autoren und Übersetzer eine gewisse Berliner dolce vita: noch ist die deutsche Hauptstadt ein viel entspannterer Ort als Paris.
1. Zadig
Zu Besuch bei Zadig war ich zum ersten Mal 2004, im Rahmen des Goldschmidt-Programms, also kurz nach der Eröffnung im September 2003. Seitdem besteht sie, unter der Leitung von Patrick Suel, in der Linienstraße, im Herzen Mitte. Dem multikulturellen Bild der Stadt entsprechend spiegelt Zadig die ganze Vielfalt der französischsprachigen Literatur wider. Hier findet man sowohl ein großes Angebot an Neuerscheinungen als auch einen soliden Grundstock an Klassikern. Einen besonderen Schwerpunkt bildet die deutsch-französische Thematik. Die Buchhandlung organisiert regelmäßig Begegnungen und Lesungen mit Autoren und Verlagsleuten.
2. Modern Graphics
In der Kastanienallee befindet sich eine der beiden Filialen von Modern Graphics in Berlin. Die große Auswahl an Comics und Graphic Novels auf Französisch oder aus dem Französischen (mit Lieblingsautoren wie Guy Delisle, Catherine Meurisse, Lupano & Cauuet...) macht es meiner Tochter und mir immer schwer, auf dem Weg zurück von der Schule nicht doch kurz vorbeizuschauen.
3. Neurotitan
Der Buchladen / Galerie Neurotitan im noch unrenovierten Haus Schwarzenberg, neben den Hackeschen Höfen, ist zu einer touristischen Attraktion geworden. In diesem sehr gut sortierten Laden, der sich auf Comics und Graphic Novels spezialisiert hat (die man hier sowohl auf Deutsch, als auch auf Englisch und Französisch vorfindet), arbeitet auch zuweilen der französische Comiczeichner und Verleger Alex Chauvel, Mitbegründer der éditions Polystyrène. Und wenn man Glück hat, kann man dort sogar ein von ihm entworfenes Plakat entdecken und erwerben (Zuletzt erschienen: Toutes les mers par temps calme, Polystyrène, 2016)
4. Mundo Azul
Die internationale Kinderbuchhandlung hat sich auf illustrierte Kinderbücher und besondere Buchprojekte aus aller Welt spezialisiert und ist kultureller Treffpunkt für internationale Künstler, Illustratoren, Sammler und alle, die nach alternativer, gegenwärtiger Kinderliteratur suchen. Hier entdecke ich immer ausgefallene französische Kinder- und Jugendbücher. Das Märchen-in-Haiku-Form-Buch, das ich zuletzt dort gekauft habe, erwies sich als ein sehr beliebtes Geschenk. (Il était une fois : contes en haïku, von Agnès Domergue und Cécile Hudrisier, éditions Thierry Magnier).
5. Anakoluth
Nicht jeder kann französische Literatur im Original lesen. Die kleine unabhängige Buchhandlung, gegründet vor 18 Jahren von Christiane Hahn, bietet eine große Auswahl an französischer Literatur in deutscher Übersetzung (Romane, Essays, Lyrik, Reiseliteratur, Comics, Kinder- und Jugendbücher). So kann man jeden (übersetzten) Lieblingsautoren auch an Berliner Freunde weiterempfehlen. Seit vier Jahren unterstütze ich das großartige Buchhändlerinnenteam während des Weihnachtsgeschäfts.
6. la mer gelée
In einem Gemeinschaftsbüro in der ruhigen Korsörerstraße, direkt hinter dem Mauerpark, entsteht die deutsch-französische Zeitschrift für Kunst und Literatur, die von Alban Lefranc und Aurélie Maurin herausgegeben wird und im Verlag Le Nouvel Attila erscheint. la mer gelée präsentiert sowohl unveröffentlichter Texte bekannter Autoren als auch eigene Entdeckungen. Hier wurden erstmals Texte von Monika Rinck, Elke Erb, Ann Cotten oder auch Andreas Veiel in französischer Übersetzung publiziert, sowie in umgekehrter Richtung AutorInnen wie Christian Prigent, Serge Pey und Noémie Lefevbre. Die achte Ausgabe (Maman) erscheint im Herbst. Dank la mer gelée habe ich den frankokanadischen Autoren Hervé Bouchard für mich entdeckt. Unbedingt lesen!
Alban Lefranc lebt als Schrifsteller, Übersetzer, Drehbuchautor und Autor von Hörspielen in Berlin. Zuletzt erschienen: L’amour la gueule ouverte, hypothèses sur Maurice Pialat (Hélium, Actes Sud 2015).
Aurélie Maurin, freie Literaturvermittlerin, Kuratorin, Moderatorin, seit 2016 Jurorin des Berliner Senats für die City Tax-Kulturmittel, Gründungsmitglied des „Netzwerks der freien Berliner Literaturszene“ und Literaturübersetzerin, hat u.a. Thomas Brasch ins Französische (mit Bernard Banoun), und Christian Prigent ins Deutsche übersetzt (mit Christian Filips).
Institut français mit dem Bureau du Livre de l’Ambassade de France à Berlin Kurfürstendamm 211
10719 Berlin
7. Institut français mit dem Bureau du Livre de l’Ambassade de France à Berlin
Die französische Mediathek im Institut français kann gegen Heimweh helfen: einen Klassiker der Belletristik oder Kinderliteratur, den man gerade (wieder) lesen möchte, findet man dort immer; für begehrte Neuheiten,insbesondere französische Filme, ist eine Reservierung empfohlen...
In den Räumen des Instituts finden in Zusammenarbeit mit dem Bureau du Livre der französischen Botschaft in Berlin Lesungen und Begegnungen mit französischsprachigen Autoren statt, sowie Veranstaltungen für Verlagsleute und Übersetzer (zuletzt: die Nuit de la traduction )
8. Literarisches Colloquium Berlin
Das LCB ist ein besonderer Ort für mich: 2004 nahm ich am Georges-Arthur-Goldschmidt-Übersetzerprogramm für junge deutsch-französische Literaturübersetzer teil und verbrachte dort drei wunderbare Workshop-Wochen – und mein Projekt führte zum ersten Übersetzungsvertrag mit Gallimard. Alle drei Jahre ist das LCB Sitz der deutsch-französischen Übersetzerwerkstatt ViceVersa, die sich an fortgeschrittene Überseter wendet.
Hier werden mitunter auch Veranstaltungen mit französischen und frankophonen Autoren organisiert, wie zB mit Jayrôme C. Robinet, Schriftsteller, Poesie Performer und Übersetzer, der sowohl auf Französisch, als auch auf Deutsch schreibt und auftritt (Sein Blog: http://www.jayrome-c-robinet.com/www.jayrome-c-robinet.com).
9. Deutsch-französischer Übersetzerstammtisch
Caroline Gutberlets idyllisches Büro in der ruhigen Husemannstraße in Prenzlauer Berg war lange Sitz des dt.-frz. Übersetzerstammtisches. Mittlerweile nomadisch geworden, findet er bei ÜbersetzerInnen oder, wie schon mehrmals der Fall, im Literaturhaus Lettrétage in Kreuzberg statt. Bei diesem Stammtisch wird an aktuellen Projekten der TeilnehmerInnen gearbeitet (und dann erst getrunken und gegessen).
Kontaktperson für interessierte, in Berlin neu angekommene Übersetzer: Andreas Jandl andreas.jandl(at)web.de
10. ÜbersetzungsAtelier Cantianstraße
Dieses Büro teilt sich der französische Übersetzer Alexandre Pateau mit deutschen Kolleg*innen aus dem Literaturbetrieb. Mit Sven Wachowiak, wie er Teilnehmer am Goldschmidt-Übersetzerprogramm 2014, hat Alexandre den Leipziger Helden von Clemens Meyer aus Als wir träumten eine französische Stimme gegeben.
Alexandre Pateau hat Rainer Maria Rilke, Peter Bichsel, Carolin Emcke, Jan Wagner, und Daniel Schreiber ins Französische übersetzt, und 2015 für seine Übersetzung von Brechts Ballade von den Abenteurern den großen Lyrikpreis der Union des traducteurs et non-traducteurs de Villié-Morgon gewonnen.
11. Übersetzungsatelier Schönhauser Allee
In dem ehemaligen Schulgebäude in Mitte entstehen die Übersetzungen Isabelle Libers ins Französische, unter anderem von Bertolt Brecht, Alina Bronsky, Giulia Enders, Elke Heidenreich, Nina Jäckle, Karen Köhler, Gila Lustiger, Galsan Tschinag und David Wagner.
Als meine Vorgängerin als Praktikantin im Lektorat für deutsche Literatur bei Actes Sud (vor langen Jahren), die dann Übersetzerin für das renommierte, unabhängige Verlagshaus wurde, hat mir Isabelle sozusagen den Weg gezeigt.
12. Restaurant im Podewil
In diesem Lokal in Mitte sind unzählige Übersetzungen des Duos Frank Sievers + Andreas Jandl entstanden. Geht man Donnerstags um die Mittagszeit dahin, könnte man sie möglicherweise auch persönlich antreffen (zu erkennen wären sie an ihrem mit Büchern und Papieren überdeckten Tisch...).
Zusammen übersetzte das Duo (neben ihren vielen Naturkunden-Übersetzungen aus dem Englischen) mehrere Romane des Frankokanadiers Gaétan Soucy.
Frank Sievers übersetzte unter anderem auch: Laurent Gaudé, Thierry Lentz, Bernard Lions, Frédéric Malle, Philippe Margotin und Jean-Michel Guesdon;
Andreas Jandl Pascal Brullemans, Daniel Danis, Nicolas Dickner, Nicolas Langelier und Scholastique Mukasonga.
13. La Ménagerie im ACUD
Das liebevoll renovierte, authentisch gebliebene Kunsthaus ACUD in Mitte (Veranstaltungsort, Kino, Bar...) ist auch eine der Spielstätten der französischsprachigen Theatertruppe La Ménagerie, die ich mit ihrer wundervollen theaterpädagogischen Arbeit an Schulen entdeckte. Hier findet einmal im Monat ein Abend mit Improvisationstheater statt, und einmal im Jahr das von der Ménagerie organisierte Theaterfestival, in dem professionnelle und nicht-professionnelle Theatergruppen französische Texte im Original auf die Bühne bringen. (Andere Spielstätten sind das Theaterhaus Berlin Mitte, sowie das Künstlerhaus Bethanien in Kreuzberg.)