Leselampe

Buchempfehlung der Woche

von Iunona Guruli

Iunona Guruli, geboren 1978 in Tbilissi, lebt seit 1999 in Deutschland. Nach ihrem Studium der Politik und Geschichte zog sie nach Berlin, wo sie heute als Autorin und Übersetzerin lebt. 2018 erschien ihr zweiter 2016 verfasster Erzählungsband Wenn es nur Licht gäbe, bevor es dunkel wird (btb) auch auf Deutsch, für welchen sie mit dem SABA-Literaturpreis für das beste Debüt ausgezeichnet wurde und für den georgischen Literaturpreis LITERA nominiert war. Letztes Jahr ist im Weissbooks Verlag mit Brief ohne Absender Iunona Gurulis erster Roman erschienen.
 

Maja Lunde
Die Geschichte der Bienen
Roman; Aus dem Norwegischen von Ursel Allenstein, btb Verlag, München 2017.

Wie sieht die Zukunft der Erde und der Menschheit aus? Das ist die Frage, die sich bestimmt jeder schon mal gestellt hat und mit der sich der Roman Die Geschichte der Bienen von Maja Lunde beschäftigt. Maja Lunde ist eine norwegische Kinder- und Jugendbuchautorin, deren erster Roman für Erwachsene den norwegischen Buchhändlerpreis bekam und gleich zum internationalen Bestseller wurde. Nicht zuletzt, weil er sich einem brandaktuellen Thema widmet, das seit einiger Zeit immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Das gut recherchierte Buch ist der erste Band eines „Klima-Quartetts“.

Die Erzählung hat drei Stränge, die in verschiedenen Ländern, sogar auf verschiedenen Kontinenten, und unterschiedlichen Epochen angesiedelt sind. Was sie vereint, sind die Bienen und die Frage, wie unsere Zukunft ohne sie aussehen könnte. (Es gibt eine kurze Beschreibung der Personen auf dem Schutzumschlag, was ich sehr hilfreich fand.)

Um seine Familie zu ernähren, sieht sich der Wissenschaftler William im England des 19. Jahrhunderts gezwungen, die Forschung aufzugeben und sein Brot als Saathändler zu verdienen. Er verfällt bald in eine Depression und verlässt das Bett nicht mehr, bis ein Buch über die Erforschung der Bienen sein Interesse und somit seinen Lebenswillen wieder weckt. William beschließt, einen neuartigen Bienenstock zu konstruieren.

Daneben gibt es den professionellen Imker George in Amerika im Jahr 2007, der eine große Imkerei betreibt und seine Bienenkörbe selbst baut. Ihm bereitet die Tatsache Kummer, dass sein Sohn Tom kein Interesse am Hof zeigt, der seit Generationen seiner Familie gehört. Eines Tages geschieht eine Katastrophe: die Bienen sind verschwunden. Dass das Gleiche in den Monaten zuvor auch in anderen Bundesstaaten passierte, scheint George zunächst nicht zu interessieren. Das Aussterben der Bienen führt zu drastischen Veränderungen in allen Lebensbereichen, nicht nur bei George. Wie es zum großen Bienensterben kam und welche Folgen es für die Menschheit hat (wie den Zerfall der Staaten) wird nach und nach dargestellt.

Im dritten Erzählstrang geht es um die Arbeiterin Tao in China im Jahr 2098, die eine schwere Arbeit verrichtet und die Obstbaumblüten in einer riesigen Plantage per Hand bestäubt, da es keine Bienen mehr gibt, die diese Aufgabe übernehmen könnten. Ihren Lebensinhalt bilden ihr Mann und ihr kleiner Sohn, der bei einem Ausflug plötzlich das Bewusstsein verliert und ernsthaft krank wird.

Was einigen Lesern missfallen könnte, ist, dass die Geschichte nur langsam Fahrt aufnimmt. Anfänglich fällt es einem schwer, zwischen den verschiedenen kurzen Kapiteln und Geschichten „umzuschalten“, aber bald wird der Zusammenhang zwischen den Schicksalen der Protagonisten deutlicher und die Spannung steigt rasant. Die Schicksale der drei Protagnisten, deren Gedanken- und Gefühlwelt sehr einfühlsam geschildert wird, sind durch die Bienen eng verknüpft. Am Ende des Romans erscheint eine winzige Hoffnung, dass vielleicht noch nicht alles verloren ist.

Am meisten hat mich die Geschichte von Tao beeindruckt, vielleicht, weil ich mich am besten mit ihr identifizieren konnte – einer Frau, die sich unter schwierigsten Lebensbedingungen um ihre kleine Familie sorgen muss. Die Horrorvorstellung, in einer dystopischen Zukunft zu leben und sich unermüdlich, mit allen Kräften um ein Stück Normalität zu bemühen, hat mich nach der Lektüre noch lange verfolgt.

Es ist ein absolut lesenswertes Buch, das einen nachdenklich macht und aufrüttelt. Die traurige Tatsache, dass der Mensch sich als Gipfel der Schöpfung betrachtet und nicht als einen Teil des Ganzen, als ein einfaches Glied in der Kette, hat ernsthafte Konsequenzen für die Erde. Die Folge ist die maßlose Ausbeutung der Natur: Wasser, Luft, Erde, die Tier- und Pflanzenwelt – alles dient dem Menschen und seinen Bedürfnissen. Und wozu es führen kann, den Respekt vor der Natur zu verlieren, zeigt der Roman eindrucksvoll.

Wie einst Albert Einstein gesagt haben soll: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr“.

Mehr Informationen