Das Münsterland-Touren wurden durch die Kunststiftung NRW, die LWL-Kulturstiftung und die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial Versicherung ermöglicht.

Ulrich Janetzki

Alte Heimat. Mit dem Moped durch viel Grün-Grün nach Lüsebill

Vitus Surholt
motorisiert ~ 5 Std. ~ 150 km Motorradtour durch den Kreis Coesfeld

Mit einem zeitlichen Abstand von 50 Jahren bereist der leidenschaftliche Motorradfahrer seine alte Heimat und schaut besonders nach Veränderungen in der Landschaft und genießt die westfälische Küche. Alles beginnt und endet im Geburtsort Selm.

Als Hör-Tour

Gelesen von Ulrich Janetzki
Laufzeit: 42:30

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Ulrich Janetzki

»Alte Heimat. Mit dem Moped durch viel Grün-Grün nach Lüsebill«

Fotos: Vitus Surholt

 

Wer an Westfalen denkt, dem fällt Bier und Fußball ein, vielleicht noch der Tatort aus Münster. Das, was Westfälinnen und Westfalen wirklich für Deutschland geleistet haben, bleibt geleugnet, indem es verschwiegen wird. Vielleicht hat man es auch schlichtweg nur vergessen. Erinnern wir uns.
Hier im Münsterland, stand die Wiege der Deutschen Küche, der Deutschen Kochkunst, die seither zu den raffiniertesten Küchen der Welt gehört. Die ersten westfälischen Kochbücher waren natürlich handgeschrieben und wurden von Generation zu Generation verfeinert und weitergegeben. Und es waren da die Kiepenkerle, die die Dörfer u.a. mit Eiern und Geflügel versorgten, aus dem Rucksack, der Kiepe. Von Dorf zu Bauernschaft eilend, glichen sie reisenden Zeitungen und berichteten den neuesten Klatsch und gaben Rezepte weiter.
Auf den Wegen dieser Kiepenkerle will ich mich durchs Münsterland schlängeln. Heute heißen sie Pättkes oder Wirtschaftswege. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es diese Verbindungen, die sich stets schlängeln, weil sie kein Architekt wie eine Schnur in die Landschaft geworfen hat. Das Herz geht auf, wenn man zehn Kilometer an Zäunen und Weiden, an Wiesen und Äckern, an Baumwällen und allerlei Viehzeug vorbeifährt und stets den Geruch der Stallungen einatmet, der mal warm, mal beißend, aber stets an Kindheit erinnert. An meine Kindheit im Münsterland.
Aus der Ferne und mit Abstand liebt es sich immer besser und intensiver. Da bin ich keine Ausnahme. Mit dem zeitlichen Abstand von fünfzig Jahren will ich nun das Münsterland zögerlich bereisen. Ich möchte mal sehen, wie und ob man die Landschaft kaputtgemacht hat und ob es die regionalen typischen Gerichte gibt, die ich so gerne in der Ferne koche, um mir Münsterländer Nähe zu holen. Gerichte, die ich damals zu Hause nicht aß, in Berlin nachholte und nun endlich in heimatlichen Gefilden essen will. Was ist es, was mich immer wieder dort hinzieht? Vielleicht kriege ich heraus, warum ich so gerne Münsterländer bin. Denn immer mal wieder muss ich zwischendurch an die Batterie Münsterland. Der Bauch diktiert dem Kopf die Wörter: Grün, warm, wiesig, steverig, wurstig, pferdig und eben heimatlich.
Und irgendwann musste ich den neugierigen Berlinern zeigen, woher ich komme. Das erklärt dann Manchen Vieles. Westfale. Stur. Wurstesser. Biertrinker. Konservativ.
Ich will meine Lieblingsroute fahren. Viele von meinen Stationen haben wir damals mit dem Fahrrad besucht und wir Kinder bekamen irgendeine Brause. Blöd, dass Coca Cola noch nicht in Selm angekommen war. Hätte ich viel lieber getrunken.

Wurzeln

In Selm ist meine Familie gestrandet: Der Vater, sein ganzes gefühltes Leben lang Smutje auf
einem U-Boot (zweimal abgesoffen), war zweiundzwanzig, ein Schlesier - was immer er dann in Selm gemacht hat - und meine neunzehnjährige Mutter. Sie kam mit irgendeinem Treck aus Ostpreußen. Wo immer sie sich getroffen haben. Ich war sicher ein Wunschkind, vielleicht in einer der vielen Nissenhütten gezeugt. Also wurde mein Vater postalisch zurückgerufen. Vaterpflichten. Er hatte Bäcker in Schlesien gelernt. Jetzt wurde er Bergmann. Vaterpflichten. Meine Mutter kam nicht klar in den kleinbürgerlichen Zechensiedlungen. Obwohl die kleinen Häuser im Nachkrieg doch fast Villen gewesen sein mussten? Glücklich war sie nie. Ostpreußen war doch schöner und weiter und großzügiger gewesen.

Auf der Flucht übers Haff kam eine Frau dazu, Tante Illa nannte ich sie. Warum auch immer. Sie zog mich groß, was weiß ich, was Oma heißt, ich hatte Tante Illa. Sie gab mir Kosenamen und versorgte mich mit Micky Mouse-Heften von ihrer kleinen Rente. Sie lebte bei uns, Vater nannte sie „Kostgänger“. Mit ihr ging ich an der großen Hand weit über die Felder nach Netteberge, ein kleines Bollerwägelchen an der Hand. Alle nannten das Hamstern. Und das immer noch bis heute Köstlichste auf der kleinen Welt ist eine Weißbrotschnitte, mit dick Butter bestrichen und dann dick Schinken drauf, dann geklappt. So etwas erbat sie sich von den Bauern für mich, vielleicht half sie auch stundenweise aus, ich war zu klein, ich erinnere nur das Brot. Rieche es bis heute. So eine Weißbrotschnitte ist für mich der Inbegriff des Bäuerlichen geblieben. Da kann meine Frau noch so viele gesunde Worte in die Luft sagen. Wir wurden Weltmeister und Jüppken aus der Nachbarschaft besaß sogar einen richtigen Fußball aus Leder. Der wurde mit Bohnerwachs gepflegt.
Sie kochte und nannte mich Lorbass, meine Schwester später Marjellchen. Vater brachte Kohlen nach Hause, beziehungsweise lud sie beim Bauern ab, dem Bauer Piepenbrock. Dafür gab es viele gefederte Tiere und Eier. Vater hörte Freddy rauf und runter. Mutter drehte am Radio und suchte so lange, bis sie was fand, wozu sie weinen konnte. Tante Illa rupfte im Badezimmer das Vieh und erklärte mir die Welt am Beispiel von Selm. Sie schälte Kartoffeln wie nie jemand nach ihr. Zack Zack Platsch, da lagen sie im Wasser. Mutter war im Dorf „plachandern“, tratschen und wusste alles von der Welt. Vom Dorf.

Meine Mutter konnte nicht mit Geld umgehen; wir aßen am Monatsersten wie Könige. Nämlich Königsberger Klopse. Und es gab Schinken und Wurst zum Abwinken. Bis zum Zehnten, dann haben wir angefangen Bratkartoffeln zu essen, Gläser aus dem Keller aufzumachen. Brotsuppe, Arme Ritter, Griebensuppe, Kartoffelsuppe, Kunsthonig und Rübenkraut. Fleisch war nur um den Ersten herum erschwinglich. Für 50 Pfennig Wurstreste. Meine Mutter schämte sich, also wurde ich geschickt. Die Zeit des Eingeschweißten kam später. Alles war nicht immer lecker, aber das war auch nicht Mutters Problem. Das ist in Erinnerung geblieben. Und doch: die schlesischen Weißwürste am Heiligen Abend. Nie wieder erreicht. Das waren die Highlights, ansonsten wurde auf dem Markt Hering gekauft und eingelegt. Im September, die Waldfeuchte hatte sich längst auf die Felder gelegt, ging ich mit Vattern zum Nachstoppeln. Mit einem vorne gegabelten Stock pflügten wir die aufgewühlten Erdhügel nach übrig gebliebenen Kartoffeln durch und wir brachten stets viele mit nach Hause. Oder „wir gingen auf“ Aale in der Stever. Vater kannte jede verbotene Methode. Wir brachten immer mindestens vier mit nach Hause. Vater nagelte sie an einen Baum und enthäutete sie. Wir Kinder stiegen Stunden später auf einen Hocker, um zu gucken, wie sie in der Pfanne sprangen. Oder wir gingen morgens auf Champignons. Einmal ist Vater mit der Hose an den Knöcheln vor einem Bullen geflohen, auf einer dieser Wiesen zwischen Selm und Nordkirchen. Ich habe eine gelangt gekriegt. Vielleicht weil sein weißer Hintern leuchtete wie eine reife Champignon.

Und dann kam mein Auszug aus dieser Westfalen-Welt. Mir standen alle Türen offen, ich war doch ein gelernter Realschüler. Ich hatte eine erste Liebe im Kornfeld wie einen Stempel im Kopf. Vater zog von der Zeche Minister Achenbach zum Bayer. Steinstaublunge. Nach Leverkusen. Die Familie folgte. Der verliebte Sohn wurde beim Bayer Kaufmann und ist bis heute Fan dieses Vereins. Von der ersten richtigen Liebe weiß ich noch, wie sich blondes Haar im Sommer anfühlt, aber leider nicht mehr den Namen. Blöd. Ich hätte sonst fragen können: Kennt jemand die Manuela, mit der ich vor fast fünfzig Jahren im Kornfeld lag. Schade, dass das Vernünftigste absurd ist.

Kreisstraße, Selm

Gaststätte Knipping

Ludgeristrasse 32
59379 Selm


Gasthaus Suer

Ludgeristrasse 90, (neben der Friedenskirche)
59379 59379 Selm

Webseite

Selm

Wo Thusnelda noch Wochen brauchte, mit ihrem hauswirtschaftlichen Gefolge ihrem Gatten Arminius, der später als „Hermann der Cherusker“ als Befreier des Deutschen gefeiert wurde, hinterherzuziehen, brauche ich heute einen Tag. Mit dem Motorrad fahre ich spurensuchend die Stationen ab, die nachweislich Spuren hinterlassen haben. Auch auf der Suche nach Thusnelda, der Ur-Mutter der deutschen Küche, will ich nicht nur einkehren und essen, sondern auch eine Landschaft genießen, die ursprünglicher nicht sein kann und so ist, wie das Essen: deftig, gesund und grün.
Beginnen wir also unsere Münsterländer Rundfahrt in der Kreisstraße in Selm. Wo auch sonst. Vor 1155 Jahren zum ersten Mal als Seliheim urkundlich erwähnt, vermute ich hier erste Spuren der westfälischen Küchenkunst. Schließlich haben wir ebenso wie „Miele, Miele sagt die Tante, die alle Waschmaschinen kannte“ gewusst: „Willst Du Selm nicht vergessen, musst Du bei Knipping Krüstchen essen“. Die Beelitzer haben das mit „Spargel“ nachgedichtet.
Ich fahre sie hoch und runter: die Kreisstraße. Zu meiner Sturm- und Drang-Zeit war das der Nabel der Welt, hier gab es die ersten Pommes frites, die überhaupt erste Eisdiele (Una Festa Sui Prati), hier war das erste Bekleidungshaus am Platz, Wilhelm, edel, hier stand das Kino, in das man allerdings erlaubterweise nur gehen durfte, wenn man zuvor in der Kirche war. „Wer die Kirchentür nicht findet, findet nicht die Himmelstür.“ (So lernte ich flüssig schreiben.) Hier war auch Berken, der Spielwarenladen, der die Revolution in mein Kinderzimmer brachte: Lego. Die Schaufensterscheibe müsste noch heute gebogen sein, wie meine Nase platt.
Heute braucht der ehemalige Selmer Ku'damm noch zwei Jahre, dann hat der Ramsch völlig für Ödnis gesorgt. Die Perle des Münsterlandes – an dieser Stelle funkelt sie nicht.

Weiter nach Selm-Dorf, wo der Wohlstand auch nicht zu Hause ist und doch klinkert es katholisch. Kleine Privathäuser mit vorgeschalteten Geschäften, enge Straßen. Ich habe Hunger. Die erste Adresse aus meinen Kindertagen in Selm war Knipping. Hier gingen die aus dem Ruhrgebiet essen. Welch Verschwendung, lehrten sie uns zu Hause. Wir Jungen beguckten hier die Autos, die wir sonst nicht kannten. Borgward, Porsche… Hier brachte man mich unter, 10 Jahre ist es her, als ich die Laudatio auf die erste „Selmer Literaturpreisträgerin“ hielt. Hier aß ich Krüstchen vom Feinsten. Wohnte edel. Fühlte mich inmitten, fühlte mich zuhause. Heute steht es zum Verkauf. Ich drehe konsterniert und zurechtgestutzt um. Dann erinnerte ich Altenbork, heute Gasthaus Suer. Mein Vater trank dort Sonntagvormittag sein Bierken mit Korn. Passte auf, ob ich wirklich mit den anderen gegenüber aus der Kirche kam. Pharisäer. Zu Hause wurde nur zu Tisch gebetet, wenn Besuch da war. Auf der Speisenkarte lese ich draußen: Der scharfe Selmer, Krüstchen auf Toast mit Paprika, scharf. Sehr gut, aber sie machen erst um 15.00 Uhr auf. Also weiter.

Aussichtsplattform Steveraue

Bereich Kökelsum, Olfen


Schloss Sandfort

Sandforter Strasse 1
59399 Olfen

Da das Schloss nach wie vor bewohnt ist,
ist es nur von außen zu besichtigen.


Kökelsumer Bauernladen und Café

Kökelsum 2
59399 Olfen

Webseite

Sandfort und viel Grün

Am Ternscher See vorbei, beginnt hier für mich das Münsterland, und es präsentiert sich so, wie ich es sehen will. Es fehlen alle Stadtgeräusche und es riecht einfach anders. Gewaltig, wenn man als Stadtmensch verlernt hat, zu unterscheiden. Gerstenfelder meist, Felder sind mit Baumreihen begrenzt, erste Wiesen und die erwarteten ersten Pferde, stets Gräben neben-her, Bäume die plötzlich Schatten werfen, inmitten von kleinen Feldern Waldflecken und endlich auch Trecker. Feuchte hochstehende Wiesen wie in “Brand’s Haide”. Maisfelder waren früher hier. Oder auch nicht, dann lag ich eben im Kornfeld. Ich erinnere Anderes genauer. Das erste Mal eine etwas andere Frauenbegegnung. Genau hier. Boing. Ab jetzt war ich gnadenlos verliebt. In der Beichte war ich gut vorbereitet und habe es übersprungen.

Auf dem Wege liegt Mutters beliebtestes Ausflugsziel: Das Wasserschloss Sandfort. Es erinnerte sie an Ostpreußen, an die dortigen Rittergüter. Trotzig knattere ich in den Hof, drehe eine Runde, kein Hund, kein Mensch überhaupt. Ich fahre zurück auf die 236 unter der Brücke durch und dann rechts zum Benthof, über den Benthof und links zur Bundesstraße 235, dann rechts und dann links auf eine der schönsten Birkenalleen, die ich je gefahren bin, einem Wirtschaftsweg Richtung Olfen. „Wirtschaftsweg“ ist hier das Zauberwort. Und sofort fahre ich durch einen Zauberwald, der das Sonnenlicht in Wellen auf die einspurige Straße wirft, die sich in ständigen S-Kurven durchs Grün-Grün windet. Es ist eine Freude, weil es kurzweilig ist. Wirtschaftswege verbinden Felder mit Bauernschaften und da die Zeit der Hofhunde vorbei ist, kann man auch schon mal ungebissen einen Bauernhof durchqueren - eher als das Olfener Loch, aber dazu später.
Fast trunken von diesem unterschiedlichen Grün der Blätter, im Mai ist das Münsterland am schönsten, fahre ich in die geschützte Natur, rechts am kleinen Flüsschen Stever weiter auf diesem Wirtschaftsweg, der hier eine sich schlängelnde Baumallee ist. Hier in dieser Stever, die natürlich sechzig Jahre später eine andere Stever ist, lernte ich schwimmen. Vater war da erinnerbar lieb. Und heute kann ich´s doch.

Und ich fange bereits an, Alleen zu unterscheiden: oben offene und die grünen Ofenrohre. Ziel ist die Steveraue. Und wirklich, so habe ich mir eine Auenlandschaft vorgestellt. Links und rechts dieser kleinen und stets asphaltierten Wege: eine unbehauene und belassene Natur. Und so weit das Auge auch hochblickt, keine sich langsam drehenden Mercedes-Sterne. Und natürlich kann man ein Storchenjunges im Nest beobachten. Überraschend zähle ich wenig Menschen, die nicht hierhin gehören. Meist sind es behelmte Fahrradfahrerinnen mit Gatten, bunt und im Rudel. Zu meinem Glück fahren sie alle gerne die Radwege neben den Hauptstraßen, wahrscheinlich mag das Aldi-Navi die kleinen Pättkes nicht.
Man passiert idyllische Flecken und man kommt nicht umhin, da und dort anzuhalten. Um die Flösse zu beobachten, oder einen kleinen Esel zu bewundern, den die „Westfälischen Nachrichten“ Emile getauft haben. Wie schön für Emil, dass er nicht in Berlin geboren wurde. So einen Zirkus hätte das Kerlchen nicht überlebt. Man sollte hier auch viel länger verbleiben.

Wer aber ebenfalls Hunger verspürt, folgt mir zum Landcafé Kökelsum. Natürlich draußen. Natürlich kein Nippes. Wie heißt es im Westfalenlied: |:Es fragen nicht nach Spiel und Tand | Die Männer aus Westfalenland.:| Der Spargelpfannenkuchen war einfach ausgezeichnet, die Suppe zuvor nicht minder. In dieser Umgebung ist es umso schwieriger, authentische Speisen zu servieren. Die Suppe war schlicht köstlich. Und man kann an einer Spargelcremesuppe ziemlich viel kaputtmachen. Oh ja! Natürlich war hier alles münsterländisch, wenn nicht sogar der Pfannekuchen „Henriette Davidis“ hieß?
Zu den Wurstdosen aus dem „Bauernladen Kökelsumer“ kann ich noch nichts sagen, da gehe ich erst im Winter ran.

Schloss Lembeck

Schloss 2
46286 Lembeck

Museum
werktags: 13.00 - 17.00 Uhr
10.oo und 11.oo nur nach Voranmeldung
Sa., So. und an Feiertagen: 11.00 - 17.00 Uhr
Schlosspark
Mo. - So., 10.00 - 18.00 Uhr
bei schönem Wetter oder auf Anfrage 9:00 - 19:00 Uhr .
Cafe´ am Schloss
April - Oktober
10:00 - 18:00 Uhr täglich
November - März
10:00 - 17:30 Uhr Mo + Die Ruhetag
Für Übernachtungen im Hotel: 02369 / 7213

Webseite

Olfener Loch, Hohe Mark, Schloss Lembeck

Dann links über die Steverbrücke an der Füchtelner Mühle vorbei, früher ein Campingplatz und Mutters liebster Badeplatz. Wir Jungs haben neidisch geguckt, wenn die aus dem Ruhrgebiet Klepperboote auspackten, und ihre Kinder hatten bereits eigene. Ich habe bis heute eine Aversion gegen diesen Sport.
Ich fahre durch Olfen, Hochburg des Münsterländer Karnevals. Alles ist bieder geklinkert, klein, sauber und überschaubar. Hier wohnt mein Klassenkamerad Franz Wulffinghof. Ich sah ihn damals in „Hier und Heute“, Karnevalsdienstag. Er war leibhaftig im Fernsehen, er war in der Welt. Olfen war in der Welt. Für Selmer waren Olfener danach so etwas wie Hochadel.

Biege Richtung „Naturbad“ ab. Vorbei. Lande im berühmten Olfener Loch. Mit diesem Loch ist Olfen neuerdings berühmt geworden. Es ist das meist besuchte Schlagloch in Deutschland. Es ist umrandet, umzäunt und für Motorradfahrer wirkt es sehr begehrenswert. Irgendeine missmutige und selbstgerechte Seele in der Stadtverwaltung hat beschlossen, mittels eines fachlich gelegten Schlagloches Raser zu stoppen. Geniale Idee! Schade, dass man es nicht nach einem Heiligen benannt hat.
Es ist zwar streng verboten, aber trotzdem sollte man nicht beim Rausfahren mit dem Oberkörper nach unten gehen. Das könnte einen raushauen. Nur mal so.
Ich fahre dann durch einen Alleenweg, ein alter Postweg, vorbei an der Rhönhagensiedlung, eine Siedlung, wo früher die Flüchtlinge angesiedelt wurden, fahre vorbei, komme auf die Eversumer Straße Richtung Ahsen und biege vorher ab Richtung Hullern. Wie haben sie sich zerstreut, diese Flüchtlinge. Sind aus ihren Kindern bekennende Westfalen geworden? Ich erinnere einen damaligen Witz: Der Unterschied zwischen einem Flüchtling und einem Sputnik? Der Sputnik macht Piep, der Flüchtling sagt Gieb! Ich habe den Witz nicht verstanden.

Pättkeswege nennt man die Straßen für Radfahrer. Ein Pättken ist - für die Ossis unter uns -ein Plattenweg ohne Platten. Ein kleiner Wirtschaftsweg, auf dem ich mir die wandernden Kiepenkerle vorstellen kann. Ein Pättken verbindet die Höfe, führt fast immer entlang einer Wallhecke, die dem Wind Paroli bietet und ist höchstens vier Meter breit. Und wieder fahre ich einen solchen Waldweg, ein Ofenrohr mit Fenstern links und rechts. Ein Vogel hat sich erschrocken und fliegt wenige Meter vor mir auf, mit wuchtigen Schlägen weg vom Mopedgeräusch. Er fliegt vor mir, oben an der Baumgrenze, mit weiten Schwingen und nun fast unbeeindruckt. Dann bleib ich stehen, schalte den Motor ab und seh ihm dankbar zu, wie er den Ausgang findet. Dann kommen wir auf die B 58, vorbei an Hullern und dem Halterner See, der durch die Bäume schimmert und manchmal vorgibt, ein glitzerndes Spargelfeld zu sein. Räder und Wanderer tauchen nun vermehrt auf. Angenehm jedenfalls, dass man keine sich jugendlich frisch gebende Priesterseminare als Fahrradfahrer ausflüglern sieht. Das war früher anders und ich atme beklemmt durch. Dann fahren wir rechts auf die L 652, überqueren die B 56 und fahren auf der Sythener Straße weiter, unterqueren dann die Autobahn und kommen nach Lavesum. Fahren durch Lavesum und fahren durch die Hohe Mark, Richtung Lembeck. Und es gibt keinen Weg, der nicht baumgesäumt ist. Münsterland, das könnte auch ein Begriff für die Gleichzeitigkeit von Geräusch- und Geruchswahrnehmung sein. Stets rauscht es und stets riecht es. Mal schweiniger, mal rindiger. Mal nur nach Misthaufen, aber auch dann rauscht es.

Die Hohe Mark, ein Naturpark, wie man ihn nicht besser hätte erfinden können. Viele Alleen, überraschend strukturierte Parklandschaft, dann brache Wiesen, fruchtige Äcker, Moore und sogar Waldgebirge. Dazwischen Vieh, vor allem Pferde, Wildpferde sogar. Wenn die Hopi Indianer fünfzehn Wörter für Schnee haben, warum hat man im Münsterland nur ein Wort für Grün? Will sagen: Über das Auge kommt die Erholung in den Kopf. Und stets fährt man Wege und Pfade und muss hier und da schauen, dass man an einem Trecker vorbeikommt. Dazwischen Niederungen, Täler sogar, und man sieht, man hat das reine Flachland hinter sich. Hier gibt es Wege, die einen in ein anderes Jahrhundert versetzen, daneben waldbegrenzte Wiesen und Freiflächen, auf denen Pferde toben. Aber auch parallel verlaufende Reitwege, wo meist hagere, gebräunte Frauen in beigen Steppwesten mich missmutig anschauen. Von oben herab. Nun ja, ein Moped wiehert halt anders.

Wir kommen nach Schloss Lembeck. Ein Wasserschloss mit Park, das mich trotz Bildband- Vorbereitung einfach ob seiner Größe überrascht. Eine wuchtige Wasserburg, die Geschichte ausatmet. Mama hätte die Decke ausgepackt, den Kartoffelsalat, die Frikadellen und harten Eier. Alles sah einladend aus, sogar Gewölbe soll es geben, aber ich war noch nicht auf Pause eingestellt. Die Speisenkarte hatte Potthucke, das machte es mir schwer. Bis jetzt weiß ich nicht, was Potthucke ist. Die jungen Mädels im Cafégarten - mit Pferdeschwanz unter der Kappe und latzledernem Hinterteileinsatz an der Hose - machten mir deutlich, dass nicht Golfen, sondern ausnahmslos Reiten angesagt ist. Motorradfahrer in Leder fallen leider auf, die Kundschaft war eher bieder und wer will schon als Exot an einem Tisch sitzen; also leider kein Wohlfühl-Beinehoch-Gefühl.

Erle, 46348 Raesfeld

Adelheids Spargelhaus

Rhader Straße 69
46348 Raesfeld

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Schloss Raesfeld

Freiheit 27
46348 Raesfeld

Restaurant: Täglich ab 11.00 Uhr geöffnet. Montag Ruhetag.
Küchenzeiten: 12.00 – 14.00 und 18.00 – 22.00 Uhr

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Erle, Adelheids Spargelhaus, Burg Raesfeld, Abtei Gerleve

Ich fahre durch grün-blassgrüne Natur mit dem Ziel Burg Raesfeld über Rhade und gelange an eine weitere Perle: Erle. Würde ich irgendwo lesen: Dieser bezaubernde Ort liegt inmitten einer idyllischen Heidelandschaft, ich würde sofort einen Haken machen. Hier steht die größte Eiche der Welt, eine Eiche, unter der Femegerichte abgehalten wurden. 1500 Jahre alt. Ehrfürchtig steht man vor den Resten eines ehemals gewaltigen Zeitzeugen. Ein altes Restaurant „Gasthaus zur Femeiche von 1838“ erinnert daran (Aktuell wird der Abriss des Hauses diskutiert.). Nebenan im Gasthof Brömmel Wilms trinke ich einen Kaffee und höre erstaunt, man könne in Erle auch eine Nacht im Heu buchen. In Erle dem „heededoerpken“. Die Speisenkarte versprach dem Westfalen den Himmel: Jägerkrüstchen, Potthucke, Westfälischen Schinken und Rübenkraut, Münsterländer Zwiebelfleisch und Münsterländer Hochzeitssuppe. Noch zu früh für ein Westfalenmahl. Maschine an.

Um 1500 schuf ein unbekannter Künstler das Kirchenfenster der Wiesenkirche in Soest „Westfälisches Abendmahl“ und natürlich isst Jesus mit seinen Jüngern Westfälischen Schinken, Schweinskopfsülze und trinkt dazu Bier und Korn. Was auch sonst. Uns Westfalen leuchtet das völlig ein.

Und dann endlich Adelheids Spargelhaus (Wie wird es wohl nach Ende der Spargelzeit im Juni heißen?). Ein richtig gediegenes Gasthaus, Mutter würde Gutshaus sagen. Wieder eine Speisenkarte, die den Westfalen erfreut. Allerdings keine Potthucke. Jetzt hätte ich es gerne mal versucht. Als ich die Spargelsuppe genoss, hörte ich am Nebentisch: „Mäusken, wieviel Pferde haben wir nun eigentlich?“, einen graumelierten gemütlichen Rentner fragen. Die Suppe war ausgezeichnet; cremig, ohne an fette Sahne zu erinnern, gaumenzarte Spargelstückchen, ausreichende Menge. Die Speisenkarte hatte natürlich auch Krüstchen und westfälischen Schinken sowieso.

Von dort zu einer weiteren Perle: Schloss Raesfeld. Eine Landschaft wie gemalt. Auch dies, ein Wasserschloss aus dem zwölften Jahrhundert. Als ich lese, dass es das ehemalige Ritterschloss eines Raubritters war, fühle ich mich richtig wohl. Das ganze Schlossensemble ist so perfekt entworfen, dass es schon fast museal wirkt. Fast. Respekt vor jedem Landschaftsgärtner. Allerdings wundere ich mich, dass kein Tourist, kein Japaner, fotografiert. Hier könnte man sich erholen. Vielleicht bleibt es so.

Von Raessfeld nach Marbeck, ein Weg, der Bauernschaften verbindet, Felder, stets von Baumgruppen „eingezäunt“, dann Richtung Velen, immer noch in einem Heidegebiet, dann Richtung Hochmoor, dann weiter nach Coesfeld. An Hochmoor vorbei. Vor Coesfeld auf die B 525, an Coesfeld vorbei, Richtung Nottuln und nach ein paar Kilometern endlich die Abtei Gerleve, wir sind auf der Wasserburgenstraße und fahren weiter Richtung Billerbeck. An Klöstern und Kirchen mag ich nicht gern halten. Dafür haben verschiedene Kaplane in Selm gesorgt. Allen anderen sei ein Halt am Kloster Gerleve sehr empfohlen.

Hotel - Restaurant Homoet

Schmiedestr. 2
48727 Billerbeck

0175-5994222

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Die Perle der Baumberge

Diese Strecke (grün, mitunter übertunnelt, weitsichtig, kurvig) verstehen Motorradfahrer sofort. Man muss auch mal laufen lassen können und den Kopf nicht stets links und rechts drehen müssen. Eine schöne Strecke, gewunden und hügelig. Von wegen, das Münsterland ist flach. Und dann das Ziel: Billerbeck. Die Perle der Baumberge.

Ich kurve langsam in der Innenstadt umher und habe mich sofort verfahren? Hier war ich doch schon... So ging es mir in Lüdinghausen und Senden bereits. Und dann plötzlich entkorkte sich was im Kopf. Sie sind alle wie von einem Architekten entworfen, die Innenstädte im Münsterland. Jeder dieser Orte ist gleich gestaltet. Variierende Klinker, bieder und robust. Auch die Straßen hat man gefliest. Überall. Und überall gleich. Und nach jeder Stadt-Apotheke kommt der obligatorische Brunnen und die ebenfalls kleine gegossene Statue. Da ist es der Kiepenkerl, dort ist es ein anderes münsterländisches Männeken. Das ist in Lüdinghausen so wie in Senden, so wie in Billerbeck. Lüsebill. Pizza Hut sieht auch überall in der Welt gleich aus.

Homoet: Ein Gasthof, der um 15.00 Uhr glücklicherweise noch Essen hatte. Im Münsterland isst man sonst bis 14.00 Uhr, danach ist Sense: Dann ist Kaffee und Kuchen angesagt. Innen ist es völlig münsterländisch. Hier hängt der abzuschießende Vogel fürs das nächste Schützenfest. Breitschwingerisch und bunt ist er, und mir ist es ein Rätsel wie man diesen Vogel abschießen soll. Ich weiß aus Kindertagen, dass ein Schützenkönig genießt, was ein Wowereit in Berlin nun fast lebenslang gehabt hat, Königswürden. Ich erinnere die Aufmärsche, uniform, Tätärätätä. Wir Kinder hatten unseren Spaß beim Bierzelt. Münzen überall im Matsch. Und so ein Bierrest war auch schnell weggekippt. Mein Vater, zwar durch und durch militärisch geblieben, schaffte aber lieber im Kleingarten und hatte auch nicht das Geld für eine Schützenuniform. Mittendrin in der Tour lese ich in den Westfälischen Nachrichten: „Mit dem 145. Schuss hat Ralf Schäfer am Samstag die Königswürde von Schölling-Holtrup errungen, und ist damit erste Majestät der neuen Schützenfestsaison. Als Königin steht ihm seine Ehefrau Brigitte zur Seite.“

Ich bin zur richtigen Zeit hier und erst jetzt erinnere ich die vielen weißen Zelte an Ortsein- oder -ausgängen. Natürlich. Das waren die Schützenfestzelte. Mensch, was wurde da geknutscht. Früher.

Homoet: Das Essen ist dort sicher herausragend. Ich bestelle zu meiner eigenen Überraschung Spargelcremesuppe. Eine fast klare Spargelsuppe, die den Namen nicht verdient. Obwohl man in die gleichwohl leckere Brühe ein paar Spargelspitzen tat. Obendrauf war Sahne gespritzt, in der Hoffnung, das macht es edler. Ich würde beim nächsten Mal auf einen besser gelaunten Suppenkoch hoffen, aber natürlich wiederkommen. Um mich herum gediegene Zufriedenheit. Und wieder nur Leute meines Alters. Was macht hier die Jugend?

Von Billerbeck, der Perle, weiter nach Nottuln auf der L 577. Eine halbe Stunde Erholung für Augen und Ohren, Landschaft mit Hügeln, Alleen auch hier, die Landschaft auch hier nicht schweizerisch austariert, sondern individuell gestaltet. Hier bestellen Menschen noch die Felder. Im Osten Deutschlands bestellen Großfirmen Menschen, die Felder zu bestellen. Ein Unterschied, der Sympathien weckt. Kleine Felder, Wälder. Hier wünschte ich mir Fontane wandern zu sehen. Geheimnisvoll hügelig plötzlich, dann kurvig, dann dunkel, weil der Himmel an den Bäumen hängen bleibt.

Gasthaus Stevertal

Stevern 36
48301 Nottuln

Wir sind von Montags bis Sonntags für Sie da.
Warme Küche von 12:00 bis 21:00 Uhr.

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Nottuln und Stevern

Dann in Nottuln. Man kann umsonst parken und das Leben spielt sich immer noch um die Kirche herum ab. Dörflich sympathisch wirkt alles. Und überhaupt nicht Lüsebill. Das Biedere des Klinkerbauens wird hier durch Sandstein ergänzt. Man spürt, dass hier kein Mangel herrschte und erinnert die ärmlich vergleichbare Dorfsituation im Osten: Kleine Geschäfte, die Hühnchen und Pedünchen verkaufen, eben Dinge aus Plaste, die man immer noch ins Wohnzimmer stellen kann, auch wenn man schon alles hat. Nicht hier. Eine Sandsteinkirche und wechselnde Baustile, überhaupt hat Nottuln Stil. Auf dem anmutigen Stiftsplatz finden Vorbereitungen zum Weinfest statt. Erstes Publikum kommt flanieren. Lodenjacken und Steppjacken überwiegen, am Wochenende wird der halbe Ruhrpott nach dem Wandern Wein verkosten. Auch hier inmitten des altehrwürdigen Gemäuers bedient sich der Wohlstand. Mich freut das tief.

In Nottuln muss ich mich erfrischen und so und nutze ich im Restaurant des Hotels Zur Alten Post die Gelegenheit auf eine Suppe. „We käine supp kann, kann niet koaken“.
Eine hausgemachte Rinderkraftbrühe mit Einlagen. Der erste Dampfgeruch signalisiert mir kommendes körperliches Wohlbefinden. Die Suppe ist unschlagbar. Die Bedienung blond. Die Karte hat extra eine Westfälische Abteilung: Schweinskopfsülze, Wurstplatte und Pfefferpotthast. Also gibt es ihn wirklich, den Pfefferpotthast. Anders als Bielefeld. Auch das freut mich. Komisch.

Von Nottuln sucht man Pättkes und Wirtschaftswege und schlängelt sich an Weiden und Wiesen entlang nach Stevern zum Gasthaus Stevertal. Unweit der Steverquelle. Ein großes Ausflugslokal, von zwei Mopedfahrern unterwegs sehr empfohlen. Durch die Fensterscheibe blickt man in eine große Küche, wo zehn bis fünfzehn Köche hantieren. Hier kehre ich ein. Und ich musste an ein Zitat denken und jetzt habe ich den Artikel gefunden: „Wir betreten nunmehr die Küche der Westfalen, die nicht nur alt, sondern uralt ist. Hier waltet nicht der betuliche Geist der Uroma am Herd, (…), sondern der zweitausendjährige hehre Schatten der Germanen-Dame Thusnelda ist es, der da an offener Feuerstätte trohnt, die Mägde scheuchend, weil Arminius, der wackere Heldengemahl, bald vom Römer-Auflauern nach Hause kommt und einen Bärenhunger und einen ebensolchen Durst mitbringt.“ („essen und trinken“, 1979)
Fangfrische Forellen, Schinken und eine eigene Bäckerei lassen tatsächlich in diese Richtung hoffen. Würste und Schinken hängen von der Decke. Die Schinken sind weiß eingehüllt, die Würste leuchten.
Da wir Spargelzeit haben, bestelle ich wieder eine Spargelcremesuppe und bin begeistert. Hier ist die Sahne der Teamchef. Spargelspitzchen, gaumenschmelzig. Hier hat Thusnelda Spuren gelassen. Phantastisch. Auch das Krüstchen, ein kross gebackenes leckerfettiges Schnitzelchen, auf einem Salat angerichtet, unnötigerweise, gehörte zum Besten, was ich seit langem an Gebratenem gegessen habe. In solchen Lokalen ist für mich das Münsterland zuhause geblieben. Solange nur das nahe Ruhrgebiet dies idyllisch und billig findet, wird sich nichts verändern, was das Auge irritiert. Hoffen wir mal, dass die Ursprünglichkeit und Gelassenheit erhalten bleiben.

Schloss Nordkirchen

Schloßstraße 1
59394 Nordkirchen

Schlossführungen ohne Anmeldung: Sonn- und feiertags stündlich
Mai bis September von 11.00 bis 17.00 Uhr
Oktober bis April von 14.00 bis 16.00 Uhr
mit Anmeldung:täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr
Gartenführungen mit Anmeldung: täglich von 9.00 bis 18.00 Uhr

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Unbestritten ist, dass seit Thusnelda die westfälische Küche um Gaumenschmankerl wie Panhas und Möpkenbrot, Knockepott und Potthast reicher geworden ist. Um dicke Bohnen mit Speck und Brot mit Zwiebelmettwurst. Töttchen natürlich. Und kein Westfale mag seither auf Pumpernickel und im Winter auf den Stutenkerl verzichten. Und dass Bier und Korn aus dem Münsterland stammen, weiß heute jeder, der essen und trinken kann. Und dass heute jeder eine „Tussi“ kennt, aber niemand mehr Thusnelda, ist ein Grund, Ihr künftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Eingehüllt durch das Rauschen der Bäume fahre ich Richtung Nordkirchen zurück nach Selm.
Zu den vielen Dingen und Sachverhalten, die in der Kindheit und der Jugend Charakter und Mentalität prägen, gehört auch der Raum. Diese Heimat wollte ich sehen und ich sah sie schöner, als ich sie in Erinnerung hatte.
Ich wurde von Allem beschallt, was in der Natur Geräusche macht, habe Grünvarianten gese-hen und wundersame Lichtspiele in Baumalleen, Gerüche geschmeckt, die man wie Nebel-schwaden durchfahren kann und die meist wohltuend waren, und selbst dort, wo ich noch nie zuvor gewesen war, war ich nicht in der Fremde.

In Selm endet meine Tour. Ich bin vorbei geschlenkert an Nordkirchen und das Wasser lief mir im Mund zusammen, als ich am Plettenberger Hof vorbeifuhr. Es roch ein bisschen nach Spargelcremesuppe, aber davon hatte ich eigentlich genug.

Ulrich Janetzki


wurde 1948 in Selm/Westf. geboren. Nach der Mittleren Reife machte er zunächst eine Lehre zum Großhandelskaufmann, holte 1972 das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach und studierte dann Germanistik und Philosophie an der TU Berlin. Er war der letzte Assistent von Walter Höllerer, bei dem er 1981 mit einer Arbeit über Konrad Bayer zum Dr. phil. promovierte. Von 1986 bis 2013 war Ulrich Janetzki Geschäftsleiter des Literarischen Colloquiums Berlin. Literaturwissenschaftliche Bücher (z.B. zu Ottilie von Goethe, Henriette Herz) und mehrere Herausgeberschaften (z.B. Die Stadt nach der Mauer, gemeinsam mit Jürgen Jakob Becker, Ullstein Verlag 1998). Wahl in das P.E.N.- Zentrum Bundesrepublik Deutschland 1996. Er hat die LCB-Portale Lesungen.net und Literaturport.de initiiert und mitentwickelt.