von Jayrôme C. Robinet
Jayrôme C. Robinet, geboren 1977 in Frankreich, ist Autor, Übersetzer und Spoken-Word-Künstler. Robinet studierte Übersetzen für die Sprachen Deutsch und Spanisch an der Ecole d'Interprètes Internationaux der Universität Mons, Belgien und hat einen Master of Arts in Biographischem und Kreativem Schreiben der Alice Salomon Hochschule Berlin. Er promoviert über Performance Poetry an der Universität der Künste Berlin.
Zuletzt erschienen von ihm bei Hanser Berlin der Roman Sonne in Scherben (2024) und sein autofiktionales Memoir Mein Weg von einer weißen Frau zu einem jungen Mann mit Migrationshintergrund (2019).
Robinet hat mehrere Theatertexte, unter anderem von Fritz Kater, Sasha Maria Salzmann und Klaus Händl ins Französische übertragen. Ebenso übersetzte er Sachbücher ins Französische und Deutsche. Derzeit leitet Jayrôme C. Robinet die Geschäftsstelle des PEN Berlin.
Nele Pollatschek
Kleine Probleme
Roman, Galliani Berlin, 2023
Lars hat eine To-do-Liste. Eine, die er am 31. Dezember bis Mitternacht abarbeiten will. Putzen. Bett für die Tochter aufbauen. Post. Nudelsalat. Mit dem Rauchen aufhören. Klingt machbar, oder? Was zunächst wie eine Alltagsgeschichte anmutet, entwickelt sich schnell zu einer brillant beobachteten Reflexion über das Leben. Pollatscheks Bewusstseinsstrom macht jeden Satz zur Miniatur, rhythmisch, melodisch, und immer denkt man: Oh, wie süß! Oder: Haha! Oder beides: Wie süß, wie witzig. Aber auch: Wie verdammt klug.
Nele Pollatschek ist keine Autorin, die sich mit bloßer Unterhaltung begnügt. Sie hat in Cambridge promoviert, schreibt als Feuilletonistin kluge Texte und hat die Fähigkeit, gewohnte Perspektiven zu verschieben – Schulterblick, rechts, links. Ihr Blick ist geschult – nicht nur für die Sprache, sondern auch für das Durchleuchten von Denkweisen, für die Mechanismen, die unser Handeln bestimmen.
„ein halbes Wunder, ein kleines Wun“
Die Schräubchen fürs Kinderbett heißen plötzlich Henriette Hannelore von Hoffmannsthal, und es gibt Hoshis und Knülpe und Plötze und Pleumel und Holzflonze und wagemutige Wüs und Wörle. Lach‘s weg, Lars! Anrührend ist das Telefongespräch mit dem Vater, bei dem sich Lars fragt, ob sein Leben in einem bestimmten Radius des Schnurrtelefons stattfindet, weil es immer genau drei Mal klingelt, wenn er seinen Vater anruft. „und wenn eine Katze über die Terrasse läuft, sich auf den Boden schmeißt, den Bauch in die Sonne reckt und wirklich dringend gekrault werden möchte, Alfred bleibt standhaft, wobei er schon immer eine Schwäche für Katzen hatte, aber seinen Posten verlassen und womöglich das Telefon vier Mal klingeln lassen, nein, das macht er nicht.“
Schnurrt das alte Telefon besser als die Katze?
Diese Aufmerksamkeit fürs Detail, bis in die Buchbindung hinein: das Lesebändchen! Rubinrot. Da gibt man den Leser:innen einen roten Faden mit auf den Weg, eine kleine Hilfe, die uns verspricht, dass wir immer wieder zurückfinden können – egal, wie sehr wir uns im Alltag verlieren.
Kleine Probleme erzählt genau davon – mit einer Eleganz, die nur jemandem gelingt, der analytisch denkt und zugleich literarisch zu erzählen weiß.
Ob Lars es schafft, seine To-do-Liste vor Mitternacht abzuhaken? Das will ich nicht spoilern.
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