Leselampe

Buchempfehlung der Woche

von Renate Zimmermann
... ist Bibliothekarin in der Marzahner Mark-Twain-Bibliothek in Berlin. Neben den klassischen Tätigkeiten organisiert sie Veranstaltungen und digitale Leseförderung. Ihre große Leidenschaft ist die Schreibwerkstatt für Jugendliche und Projektmanagement.

Eckhart Nickel
Hysteria
(Roman); Piper, München 2018.

Vielleicht liegt es daran, dass wegen vieler anderer zu erledigender Dinge das Lesen etwas in den Hintergrund getreten ist und ich mich nur häppchenweise vorgearbeitet habe in dem Roman von Eckhart Nickel. Auf jeden Fall werde ich das Gefühl nicht los, noch nie so lange an einem durchaus interessanten Buch gelesen zu haben. Jetzt, wo ich es gerade aus der Hand gelegt habe, ist diese Tatsache noch unverständlicher für mich.
Denn diesem sich in nicht allzu entfernter Zukunft abspielenden Szenario liegt ein geradezu genialer Plot zugrunde. Wohin werden uns totalitärer Klimaschutz, Veganismus und die schrittweise Genussmittelächtung bis hin zu Verbot von Kaffee und Alkohol führen? “Spurenloses Leben” heißt die Maxime. Die Menschen sollen auf dieser Welt keine Spuren hinterlassen. Wie wird sich das Leben abspielen, wenn der Mensch sich selbst verbietet, die natürlichen Ressourcen zu nutzen und dafür in einem Institut für Kulinarik dieselben künstlich produziert? Blutleere Tiere liefern Fleischersatz, in der Aromabar berauscht man sich an Düften und das Elixier eines Wurms soll eine genetisch saubere Fortpflanzung garantieren.
Schon der erste Satz ist einfach wunderbar: “Mit den Himbeeren stimmte etwas nicht.” und wird in großem Bogen am Ende des Buches mit einem alles aufklärenden Märchen verknüpft, wodurch sich blitzartig der berühmte Aha-Effekt einstellt. Für mein Leseempfinden wurden die Erzählfäden so genial verknüpft, dass sich mit diesem Märchen die sich beim Lesen auftürmenden Fragezeichen schlagartig in Luft auflösen und man sich an die Stirn greift, dass man da nicht eher drauf gekommen ist.
Es geht um den vornamenlosen Bergheim, der an der Hochschule für Kulinarik studiert hat und nun der Sache mit den Himbeeren und seelenlosen Tieren auf den Grund geht. Erst in der Kooperative “Sommerfrische” und später in besagtem Institut, in dem sich merkwürdige, fast gruselige Dinge abzuspielen scheinen. Es geht zeitgleich um eine Dreiecksgeschichte, in die er mit Charlotte und unwissentlich auch Kirsten verwickelt ist, zwei Kontrahentinnen, deren Spiel er gemeinsam mit dem Leser erst am Ende durchschaut.
Es gibt sehr gute Rezensionen zu diesem Buch, die maßgeblich zum Verständnis des Buches beitragen, z.B. sei hier stellvertretend empfohlen:
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/hysteria-von-eckhart-nickel-roman-ueber-oeko-totalitarismus-a-1226469.html

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