Leselampe

Buchempfehlung der Woche

von Juan S. Guse

Juan S.Guse ist Soziologe und Autor. Im S. Fischer Verlag sind die Romane Lärm und Wälder (Debüt, 2015) und Miami Punk erschienen (2019). Für seine Arbeit wurde er mit diversen Preisen und Stipendien bedacht. Derzeit promoviert er im Bereich der Arbeits- und Organisationssoziologie am Institut für Soziologie in Hannover.
 

Andrés Barba
Die leuchtende Republik
(Roman), Aus dem Spanischen von Susanne Lange, Luchterhand Literaturverlag, München 2022

Grüße gehen raus an Jakob Nolte, der mir República Luminosa des Autors Andrés Barba empfohlen hat. Das Buch schien mir auf den ersten Blick in jene so vertraut klingende, spanischsprachige Literaturkerbe zu schlagen, die seit dem „Boom latinoamericano“ in den 60er und 70er Jahren in Europa und den USA ein verlässliches Publikum findet: Ein Roman, der in einer subtropischen Kleinstadt spielt, gelegen in Mitten eines nahezu undurchdringbaren Dschungels, in der über Nacht 32 bettelende und gewalttätige Kinder auftauchen. Niemand weiß, woher sie kommen, warum sie da sind und wie man mit ihnen umgehen soll. Erzählt wird ihr geisterhaftes und zugleich sehr reales Erscheinen von einem Ich-Erzählers, der 25 Jahre nach jenen seltsamen Ereignissen auf diese zurückblickt. Alles also erstmal relativ normal.

Was das Buch so interessant macht, zumindest für mich, waren die vielen kleinen, bemerkenswerten erzählerischen Entscheidungen, die Barba im Verlauf des Textes trifft; einige davon gleich zu Beginn. Dadurch, dass beispielsweise der Ich-Erzähler auf die Geschehnisse zurückblickt, weiß dieser natürlich, wie sie ausgehen. Damit kann man unterschiedlich umgehen. Barba entscheidet sich dafür, den Kindern einen wichtigen Teil ihres Mysteriums zu nehmen, den andere womöglich für den Schluss aufgehoben hätten, wenn sein Ich-Erzähler nämlich berichtet, dass man später anhand der Kinderleichen ermitteln habe können, aus welchen Teilen des Landes sie gekommen waren. Und dies tut Barba ganz geschickt zu einem Zeitpunkt im Text, nachdem er kurz zuvor die damals in der Stadt zirkulierenden „magischen“ Erklärungen für die merkwürdigen Kinder erläutert wurden, denen wiederum Überlegungen gegenüberstanden, es könne sich eventuell um entlaufene Kinder halten, die verschleppt worden seien, wie dies in der Vergangenheit schon des Öfteren der Fall gewesen sei. Auf diese Weise überschreibt Barba gekonnt all jene ermüdende Grenzziehung wie „Realismo mitopoético“, „Realismo metafísico“ und so weiter, indem er stets auf jenem schmalen Grat zwischen verzerrter/verseltsamter Wirklichkeit und gesellschaftlichen/materialistischen Kontext des Geschehens wandelt.

Sehr, sehr gut. Danke Jakob.

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