Leselampe

2020 | KW 15

© Tobias Bohm

Buchempfehlung der Woche

von Katharina Kohlhaas

Katharina Kohlhaas koordiniert die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des
Literarischen Colloquiums Berlin, wenn sie nicht wie gerade in Elternzeit ist und liest.

Clemens J. Setz
Der Trost runder Dinge
(Erzählungen), Suhrkamp Verlag, Berlin 2019.

Wer nach diesen drei Wochen Ausnahmezustand beim immergleichen Anblick
der eigenen vier Wände gähnen muss und wem die Langeweile mittlerweile
ein Brett vorm Kopf beschert hat, der oder dem seien unbedingt Clemens
J. Setz Texte ans Herz gelegt.

Ihre bemerkenswertesten Vorzüge liegen meiner Meinung nach darin,
niemals vorhersehbar und trotzdem plausibel zu sein. Alltägliche, zur
Gewohnheit gewordene Wahrnehmungsmuster zu brechen und deren Grenzen
auszureizen. Clemens J. Setz‘ rätselhafte Bilder, synästhetische
Zuschreibungen und im besten Sinne absurden Phantasien sind voller
Widerhaken, die in einem genau richtigen Maße irritieren und verstören,
um horizonterweiternd sein zu können. Dabei sind sie zwar manchmal
schonungslos und schmerzhaft. Aber immer ist den Figuren eingeschrieben,
wie viel Zuneigung, Zärtlichkeit und Liebe ihr Schöpfer bei all ihrer -
oder gerade wegen ihrer - Ambivalenz für sie empfindet. Das steckt an.
Es macht Spaß nach der Lektüre zu merken, wie die Texte einerseits die
Möglichkeit zum Eskapismus bieten und gleichzeitig ermöglichen, einen
veränderten Blick auf die eigene Umgebung einzunehmen.

Unwichtig ist, welches seiner Bücher zuerst in die Hand genommen wird.
Vielleicht aber bietet sich gerade „Der Trost runder Dinge“ (Suhrkamp,
2019) an - der zuletzt erschienene Erzählungsband des frisch gebackenen
Kleist-Preisträgers, dessen Titel hält, was er verspricht?

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