Leselampe

2020 | KW 27

© Bob Sala

Buchempfehlung der Woche

von Linus Giese

Linus Giese ist Blogger, Buchhändler und Autor. Im August erscheint sein erstes Buch Ich bin Linus im Rowohlt Verlag.

Sarah Jäger
Nach vorn nach Süden
(Jugendroman), Rowohlt Verlag (rotfuchs), Reinbek, 2020.

Nach vorn nach Süden ist eines dieser Bücher, die du eigentlich nur kurz in die Hand nehmen möchtest, um hineinzulesen und plötzlich merkst du, dass dir nur noch fünfzig Seiten bis zum Ende fehlen. Es ist auch eines dieser Bücher, bei denen du dir wünscht, ein Teil der Geschichte sein zu dürfen.

Sarah Jäger erzählt in ihrem Buch von einer Gruppe Jugendlicher: die Jugendlichen sind Penny-Mitarbeiter·innen, die sich auf dem Hof hinter dem Penny-Markt treffen, um zusammenzusitzen und die Welt zu erörtern. Otto, Vika, Marie, Can, Marvin und Pavel. Alle von ihnen sind ein klein bisschen anders als alle andere – sie sind Außenseiter in dieser Welt, aber wer es auf den Hof schafft, der gehört zumindest zu dieser Gemeinschaft dazu.

Doch eines Tages verlässt einer von ihnen diese Gemeinschaft freiwillig und damit gerät alles aus den Fugen. Jo haut ab und niemand weiß so ganz genau, warum er weg ist und wohin es ihn vertrieben hat. Er ist unter schwierigen Bedingungen aufgewachsen, die Mutter hat ihn mit seinem Vater alleine gelassen - als er sich auch noch mit seiner Freundin Marie streitet, packt er seine Sachen und verschwindet vom Hinterhof.

Will ein Mensch dazugehören, dann muss er im Hinterhof abhängen. Aber es gibt Momente, da merkt man, dass das nicht reicht. Ich merke das. Ich stehe hier in der Einfahrt und merke, dass das nicht reicht. Auch nicht, wenn ich wie die anderen ein Lady-Gaga-Shirt trage. Wir spielen nicht im gleichen Team. Noch nicht mal in der gleichen Liga. Vielleicht ist es gar nicht die gleiche Sportart.

Ein Teil der Gruppe macht sich auf den Weg, um Jo zu suchen und ihn wieder zurück zu holen: Can, Marie und Lena, die von allen nur „Entenarsch“ genannt wird, setzen sich zusammen ins Auto und begeben sich auf die Suche. Lena ist die einzige, die ein Auto und einen Führerschein hat, das einzige Problem ist, dass sie Angst davor hat, auf der Autobahn zu fahren – deshalb führt die Reise der drei vor allem über die Bundesstraßen: immer nach vorn und immer nach Süden.

Sarah Jäger, die eigentlich Theaterpädagogin und Buchhändlerin ist, hat einen charmanten, wunderbaren und sehr lustigen Roman geschrieben. Nach vorn nach Süden überzeugt nicht nur sprachlich, sondern auch durch lebensnahe Charaktere – manchmal hatte ich schon fast das Gefühl, neben Can auf der Rückbank zu sitzen. Ich glaube, dass das Buch für Jugendliche ab 14 Jahren geeignet ist, aber ebenso gut von Erwachsenen gelesen werden kann, die sich dann beim Lesen vielleicht ebenfalls an diesen großen Wunsch nach Anerkennung und Zugehörigkeit zurückerinnern werden, der uns als junge Menschen umgetrieben hat.

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2020

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