Leselampe

Buchempfehlung der Woche

von Artur Dziuk

Artur Dziuk lebt und schreibt in Hamburg.
Letztes Jahr ist sein erster Roman Das Ting erschienen.

Cormac McCarthy
Die Straße
(Roman); Aus dem Amerikanischen Englisch von Nikolaus Stingl, Rowohlt Verlag, Reinbek 2007.

Ich gestehe: Ich bin ein miserabler und undankbarer Leser. Bücher lese ich selten, langsam und in kleinen Häppchen. Oft breche ich nach einigen Dutzend Seiten ab. Denn Lesen macht mich fertig. Die Empathie mit den erzählenden Instanzen, unkonventionelle Gedankengänge, virtuose Sprache. Ich liebe das alles, kein Medium kann das besser als Literatur. Aber wenn ich mit dem Lesen übertreibe, drohen emotionale Konsequenzen.

Bücher, die ich tatsächlich bis zur letzten Seite lese, liegen oft Monate neben dem Bett oder dem Schreibtisch, begleiten mich wie Freunde durch mein Leben und bekommen einen besonderen Platz in meinen Erinnerungen. Eines dieser Bücher ist Die Straße von Cormac McCarthy.

Ein Vater schleppt sich mit seinem zehnjährigen Sohn durch eine abgetötete, postapokalyptische Welt. Das vage Ziel ist das Meer, dort soll es wärmer sein, dort können sie vielleicht überleben. Ankommen müssen sie gegen Hunger, Kälte und mörderische Wegelagerer.

Warum Asche den Himmel verdunkelt, erzählt McCarthy nicht, ist auch nicht wichtig. Der Roman verhandelt das absolut Existentielle: Das Überleben in einer feindlich gesinnten Welt und die Liebe eines Vaters zu seinem Sohn. Der Autor schreibt in einer zurückgenommenen Sprache mit knappen Sätzen, einfachen Beschreibungen, lückenhaften Dialogen.

Die Straße ist ein leicht zu lesender, aber kein einfach zu verdauender Roman. Die Offenheit von Geschichte und Sprache, die Abwesenheit von Moral und dass es immer ums Ganze geht: Das Buch hat es mir nicht leicht gemacht, aber ich habe keinen einzigen Satz bereut.

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2020

91