Leselampe

Buchempfehlung der Woche

von Peter Wawerzinek

Peter Wawerzinek, 1954 in Rostock geboren, ist Autor, Journalist und Filmemacher. Zuletzt ist sein Roman Liebestölpel (2019) erschienen. 
Seit September weilt Peter Wawerzinek als Stipendiat der Villa Massimo in Rom.

Magnus Mills
Die Herren der Zäune
(Roman); Aus dem Englischen von Katharina Böhmer, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000.

Sie heißen Richie und Tam, graben Löcher, setzen Zaunpfähle hinein, ziehen Drähte für einen Weidezaun und sind mit dem Vorarbeiter zu dritt komplett. Der bleibt namenlos. Der geht sie nichts an. Der gehört für sie nicht zur Sippe. Schlimm genug mit ihm im Bauwagen der Firma auf Montagemonotonie zu sein, bis der Zaun endlich steht. Der Chef ist ein Idiot. Sie wollen zum Beispiel zu Weihnachten frei haben. Er sagt nein, verdonnert sie zu Jobunlust und Stumpfsinn. Zaunziehen ist blöd, öd, nervend. Dafür muss man Gemüt besitzen, darf sich an gar nichts weiter stören. Säuisches Mistwetter oder Fraß zum täglichen Ausspeien ist gemeint. Wären da nicht die Zigaretten in den Pausen, so oft wie sie denken und die Kneipe am Arsch der Welt, sie würden durchdrehen bei den Gefahren, die haufenweise lauern. Überspannter Draht tötet flink. Am Zaun gestorben, am Zaun begraben. Mehr ist dazu nun einmal nicht zu sagen, außer, dass man dem Zufall nachhilft, wenn jemand mit der geleisteten Arbeit unzufrieden motzt oder stänkert. Das Handwerkszeug ist einfach Scheiße. Man kommt sich oft genug selber wie Dummvieh vor, auf die fade, weite Weide getrieben. Zum Schluss muss die Knete stimmen. Und ehrlich. Sie wären längst weg, wenn da nicht die leidige Aussicht auf ein Wiedersehen mit den schnuckligen zwei Dingern in der Stampe bestünde. Am ersten Tag nur gewaltig angeglotzt, statt rangegangen zu sein. Nun sind sie weg, wie vom Boden verschluckt und tauchen und tauchen nie wieder auf. Über hundert Seiten lang nichts weiter als jene vollkommene Langweile zwischen den beiden armen Buchdeckeln, die mit dem schwerverdaulichen Mordsschreck nicht sonderlich aufgebessert wird. Aber ich gebe es schwer beeindruckt gern zu. Mich haben sie gepackt. Vor nunmehr zwanzig Jahren. An meinem Totenbett sollt ihr mir daraus vorlesen, mich damit erheitern.

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2020

91